2.1 Stellung von Kirchen und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege
Rz. 4
Der Gesetzgeber respektiert mit Abs. 1, dass gerade Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts bei der Tätigkeit in Bereichen, die auch dem Sozialhilferecht unterfallen (vor allem z. B. im pflegerischen Bereich – Stichwort: Alten-[Pflege-]Heime und Sozialstationen) immer aus eigenem Antrieb und Auftrag heraus tätig sind (bei den Kirchen und kirchlichen Wohlfahrtsverbänden gestützt auf das Evangelium Jesu Christi). Sie können diese Arbeit tun, ohne dass ein Sozialhilfeträger – unter Hinweis auf das SGB XII – dies untersagen könnte.
Die verfassungsrechtliche (Sonder-)Stellung der Religionsgemeinschaften leitet sich aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 bis 139 der Weimarer Reichsverfassung her. Die Vorschriften des SGB XII tasten diese Sonderstellung nicht an (Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 5).
Auch die nicht religiös ausgerichteten Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind bei ihren Aktivitäten zur Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen nicht durch das SGB XII eingeschränkt.
Es stößt teilweise auf Kritik, dass privatgewerbliche Träger in Abs. 1 nicht genannt werden (Münder, a. a. O., § 5 Rz. 12 ff. m.w.N; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 8). Allerdings sind diese Träger den Trägern im Bereich der freien Wohlfahrtspflege mittlerweile durch die Regelungen in den §§ 75 ff., was den Abschluss von Vereinbarungen anbelangt, gleichgestellt.
Das SGB XII enthältkeine Definition der Begriffe "Kirchen" oder "Verbände der freien Wohlfahrtspflege". Diese Begriffe können allerdings ohne weiteres aus dem öffentlichen Recht heraus geklärt werden, so dass eine eigene Definition im Rahmen des SGB (XII) überflüssig ist. Vgl. zum Begriff "Verband" auch Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz. 27; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 5 Rz. 16 ff.)
Rz. 5
Unter dem Begriff der "Verbände der freien Wohlfahrtspflege" werden typischerweise 6 große Verbandsgruppen zusammengefasst bzw. verstanden:
- Arbeiterwohlfahrt (AWO),
- Deutscher Caritasverband (DCV),
- der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV; "Der Paritätische"),
- das Deutsche Rote Kreuz (DRK),
- das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW) und
- die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.
Diese Verbände sind je durch einen völlig eigenständigen Organisationsaufbau gekennzeichnet und auf Bundesebene in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen (BAG FW). Mit diesem Organisationszusammenschluss stellen die Wohlfahrtsverbände einen im Sozialbereich anerkannten Gesprächspartner z. B. auch im Rahmen von Gesetzesinitiativen für die Politik dar.
Zur Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege vgl. auch: Münder, a. a. O., § 5 Rz. 7 ff.; Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 4 ff.; Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 7 ff.; Linhart/Adolph, a. a. O., § 5 Rz. 8; Freitag, Sozialhilferecht 2005, S. 247; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 6).
Zu beobachten ist ab und an, dass eine Diskussion einsetzt, inwieweit auch für den Bereich der Menschen, die muslimischen Glaubens sind, ein entsprechender eigener Wohlfahrtsverband geschaffen werden sollte/müsste. Grundsätzlich wird man dieses Anliegen nicht in Zweifel ziehen können, allerdings stellt die Vielzahl unterschiedlicher muslimischer Interessenvertretungen hier ein nicht zu unterschätzendes Problem dar.
2.2 Zusammenarbeitsverpflichtung
Rz. 6
Es wäre nicht im Sinne der hilfesuchenden Menschen, wenn eine Vielzahl von unkoordiniert nebeneinander tätigen Organisationen versuchen würde, ihnen in sehr unterschiedlichen Problemlagen zu helfen. Gerade weil den Sozialhilfeträgern bei der Erbringung solcher Leistungen, die im SGB XII zusammengefasst sind, die Letztverantwortung zugewiesen worden ist, ist es ihre Verpflichtung, mit den subsidiär und aus eigenem Auftrag heraus tätigen Kirchen und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zusammenzuarbeiten.
Der Gesetzgeber stellt klar, dass es einen Sozialhilfeträger zu interessieren hat, welche Organisationen in seinem Zuständigkeitsbereich arbeiten und wie sie Leistungen erbringen, die im weitesten Sinne den Aufgaben nach dem SGB XII zugeordnet werden können (z. B. Pflege von alten und kranken Menschen, Hilfe für Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen, Arbeit mit Wohnungslosen). Zu diesen Organisationen muss der Sozialhilfeträger Kontakt halten und sie auch einbinden; etwa in Arbeitsgemeinschaften gemäß § 4 Abs. 2 (Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 7; Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 15). Die Zusammenarbeit soll vom Grundsatz des gegenseitigen Respekts gekennzeichnet sein (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 12).
Dem Sozialhilfeträger kommt kein Recht i. S. eines unmittelbaren Aufsichtsrechts über die Verbände der freien Wohlfahrtspflege zu (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 10). Zur Wahrung der inhaltlichen Selbstständigkeit der Verbände vgl. Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz. 33; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 5 Rz. 13).
Die Beteiligung freier Wohlfahrtspflegeträger an der Erbringung von Aufgaben der Sozialhilfe nach SG...