Rz. 4
Der Gesetzgeber respektiert mit Abs. 1, dass gerade Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts bei der Tätigkeit in Bereichen, die auch dem Sozialhilferecht unterfallen (vor allem z. B. im pflegerischen Bereich – Stichwort: Alten-[Pflege-]Heime und Sozialstationen) immer aus eigenem Antrieb und Auftrag heraus tätig sind (bei den Kirchen und kirchlichen Wohlfahrtsverbänden gestützt auf das Evangelium Jesu Christi). Sie können diese Arbeit tun, ohne dass ein Sozialhilfeträger – unter Hinweis auf das SGB XII – dies untersagen könnte.
Die verfassungsrechtliche (Sonder-)Stellung der Religionsgemeinschaften leitet sich aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 bis 139 der Weimarer Reichsverfassung her. Die Vorschriften des SGB XII tasten diese Sonderstellung nicht an (Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 5).
Auch die nicht religiös ausgerichteten Verbände der freien Wohlfahrtspflege sind bei ihren Aktivitäten zur Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen nicht durch das SGB XII eingeschränkt.
Es stößt teilweise auf Kritik, dass privatgewerbliche Träger in Abs. 1 nicht genannt werden (Münder, a. a. O., § 5 Rz. 12 ff. m.w.N; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 8). Allerdings sind diese Träger den Trägern im Bereich der freien Wohlfahrtspflege mittlerweile durch die Regelungen in den §§ 75 ff., was den Abschluss von Vereinbarungen anbelangt, gleichgestellt.
Das SGB XII enthältkeine Definition der Begriffe "Kirchen" oder "Verbände der freien Wohlfahrtspflege". Diese Begriffe können allerdings ohne weiteres aus dem öffentlichen Recht heraus geklärt werden, so dass eine eigene Definition im Rahmen des SGB (XII) überflüssig ist. Vgl. zum Begriff "Verband" auch Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz. 27; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 5 Rz. 16 ff.)
Rz. 5
Unter dem Begriff der "Verbände der freien Wohlfahrtspflege" werden typischerweise 6 große Verbandsgruppen zusammengefasst bzw. verstanden:
- Arbeiterwohlfahrt (AWO),
- Deutscher Caritasverband (DCV),
- der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV; "Der Paritätische"),
- das Deutsche Rote Kreuz (DRK),
- das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW) und
- die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.
Diese Verbände sind je durch einen völlig eigenständigen Organisationsaufbau gekennzeichnet und auf Bundesebene in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen (BAG FW). Mit diesem Organisationszusammenschluss stellen die Wohlfahrtsverbände einen im Sozialbereich anerkannten Gesprächspartner z. B. auch im Rahmen von Gesetzesinitiativen für die Politik dar.
Zur Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege vgl. auch: Münder, a. a. O., § 5 Rz. 7 ff.; Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 4 ff.; Dauber, in: Mergler/Zink, a. a. O., § 5 Rz. 7 ff.; Linhart/Adolph, a. a. O., § 5 Rz. 8; Freitag, Sozialhilferecht 2005, S. 247; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 6).
Zu beobachten ist ab und an, dass eine Diskussion einsetzt, inwieweit auch für den Bereich der Menschen, die muslimischen Glaubens sind, ein entsprechender eigener Wohlfahrtsverband geschaffen werden sollte/müsste. Grundsätzlich wird man dieses Anliegen nicht in Zweifel ziehen können, allerdings stellt die Vielzahl unterschiedlicher muslimischer Interessenvertretungen hier ein nicht zu unterschätzendes Problem dar.