0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1, Art. 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) mit Wirkung zum 1.1.2005 in Kraft getreten.
In der BT-Drs. 15/1514 S. 55 wurde zu dieser Vorschrift ausgeführt:
Zitat
Die Regelung überträgt in den Absätzen 1 bis 5 inhaltsgleich den bisherigen § 10 des Bundessozialhilfegesetzes. Der neue Absatz 6 stellt durch den Verweis auf § 4 Absatz 3 sicher, dass in den Fällen, in denen im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten erfolgt, das Nähere in einer Vereinbarung zu regeln ist.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift, die sich mit der Stellung der freien Wohlfahrtspflege im Rahmen der Sozialhilfe befasst, hat im Gesamtsystem der Erbringung sozial(hilfe)rechtlicher Leistungen eine herausgehobene Bedeutung: Durch sie wird sichergestellt, dass es nicht ausschließlich und allein die Aufgabe der Sozialhilfeträger ist, Leistungen der Sozialhilfe zu erbringen. Auch und gerade den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wird hier ein besonderer Platz vom Gesetzgeber zugestanden. Die Vorschrift ändert nichts an der grundsätzlichen Regelung, wonach die Sozialhilfe eine öffentliche Aufgabe ist, deren Durchführung den Sozialhilfeträgern obliegt (§ 3). Allerdings wird mit dieser gesetzlichen Vorgabe den freien Trägern ein verfassungsrechtlich garantierter Spielraum gewährleistet (Dauber, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II – SGB XII, Bd. 1, 13. Lieferung, Stand: Mai 2009, § 5 Rz. 2; Schlegel/Voelzke, Juris-Praxiskommentar SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 5 Rz. 3).
Die Privilegierung der Kirchen und Wohlfahrtsverbände hat ihre Grundlage in den Vorschriften des Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 5 und 6 Weimarer Verfassung (Linhart/Adolph, SGB II, XII und AsylbLG, 86. Aktualisierung, Stand: März 2014, § 5 Rz. 3; Fichtner/Wenzel, SGB XII – Sozialhilfe mit AsylbLG, 4. Aufl. 2009, § 5 Rz. 5; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, Kommentar, 18. Aufl. 2010 § 5 Rz. 8, 9; Schlegel/Voezke, a. a. O., § 5 Rz. 22).
Der Grundsatz der Partnerschaft zwischen den Sozialhilfeträgern und den freien Trägern ist hier fixiert (Dauber, in: Fichtner/Wenzel, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II – SGB XII, Bd. 1, 2009, § 5 Rz. 1). Von der Vorschrift nicht betroffen ist das Verhältnis zu den Leistungsempfängern (vgl. Linhart/Adolph, a. a. O., § 5 Rz. 4).
Rz. 3
Das spezielle Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und freier Wohlfahrtspflege wurde bereits im Jahr 1967 durch eine richtungweisende Entscheidung des BVerfG auch höchstrichterlich bestätigt (BVerfGE 22 S. 180 = NJW 1976 S. 1765 = ZfF 1976 S. 231). Dabei wurde vom höchsten deutschen Gericht in besonderem Maße auf die Sicherstellung einer vernünftigen Aufgabenstellung, eine möglichst wirtschaftliche Verwendung der zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Mittel unter der Gesamtverantwortung der Sozialhilfeträger abgestellt (Grube/Wahrendorf, Kommentar, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 5 Rz. 4; Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 5 Rz. 2). Allerdings ist seither auch unumstritten, dass die hoheitlichen Stellen (Sozialhilfeträger) die Letztzuständigkeit bzw. Gesamtverantwortung bei der Durchführung und Erbringung von Sozialhilfeleistungen haben. Sie sind in jedem Falle leistungsverpflichtet – vor allem dann, wenn kein anderer Träger bereit oder in der Lage sein sollte, die erforderliche Hilfe zu erbringen (Münder, in: Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 12. Aufl. 2018, § 5 Rz. 17 ff.; Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 4 m. w. N.; Schlegel/Voelzke, a. a. O., § 5 Rz 32; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a. a. O., § 5 Rz. 33).
Trotz aller Änderungen, die das Sozialrecht in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren erfahren hat, ist das damit grundlegende Subsidiaritätsprinzp bis heute eigentlich unumstritten geblieben – wobei nicht zu verkennen ist, dass gerade in den letzten Jahren (vor allem im Bereich der Jugendhilfe) Tendenzen deutlich werden, dass staatliche Stellen (kommunale Gebietskörperschaften) vermehrt versuchen, Dienste in ihre Verantwortung (zurück-) zu holen und Angebote von freien Trägern zu verdrängen. Dabei wird auch zunehmend auf – angeblich – europarechtliche Vorgaben abgestellt, um das bisherige System jedenfalls in Teile in Frage zu stellen (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 8 ff.; Schlegel/Voezke, a. a. O., § 5 Rz. 45). Die Vorgehensweise, sozialhilferechtliche Leistungserbringung im Rahmen von "Ausschreibungs- und Vergabeverfahren" abzusichern, nimmt aktuell ständig weiter zu. Die Bereitschaft der freien Wohlfahrtspflege, sich auf diese Systematik einzulassen, ist in Teilen durchaus gegeben, wobei sich aber auch Kritik regt (vgl. insoweit auch Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 5 Rz. 11).
2 Rechtspraxis
2.1 Stellung von Kirchen und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege
Rz. 4
Der Gesetzgeber respektiert mit Abs. 1, dass gerade Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts bei der Tätigkeit in Bereichen, die auch dem Sozialhilferec...