2.1 Rechtsanspruch und Umfang der Hilfe
Rz. 3
Die Vorschrift vermittelt einen gebundenen Rechtsanspruch ("sind zu erbringen") auf Leistungen, wenn die in § 67 und in der DVO (abgedruckt bei § 69) genannten Voraussetzungen vorliegen. Der Anspruch besteht jedoch nur dem Grunde nach. Welche konkrete Hilfe im Einzelfall erbracht wird, steht im Ermessen des Sozialhilfeträgers (§ 17 Abs. 2 Satz 1; sog. Auswahlermessen). Darüber hinaus bringt die Vorschrift das allgemeine Nachrangprinzip des Sozialhilferechts (§ 2) zum Ausdruck, in dem zum einen die Leistungspflicht nicht eintritt, wenn der Hilfesuchende aus eigener Kraft fähig ist, die Schwierigkeiten zu überwinden (§ 67 Satz 1 HS 3). Zum anderen sind gemäß Satz 2 die Hilfen nachrangig gegenüber jeder anderen Form der Hilfe nach dem SGB XII und dem SGB VIII. Dies gilt grundsätzlich sowohl für die Pflicht- als auch für Ermessensleistungen. Allerdings genügt für diesen Nachrang nicht die bloß theoretische Möglichkeit einer anderen Anspruchserfüllung. Das Gesetz stellt mit der Formulierung "gedeckt wird" vielmehr darauf ab, dass die Hilfe nach § 67 als eine Deckung durch Leistungen im Sinne einer tatsächlichen Befriedigung bzw. verbindlichen Zusage real gesichert ist. Nur eine tatsächliche Bedarfsdeckung schließt einen Anspruch nach den §§ 67, 68 aus (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.11.2019, 1 S 2192/19, Rz. 20). In Streitfällen sind Kompetenzkonflikte nicht zulasten der Hilfesuchenden, sondern durch die Anwendung des § 43 SGB I – vorläufige Leistungen des angegangenen unzuständigen Trägers – und Ausgleich nach § 102 SGB X zu lösen.
Personen, die sich in besonderen sozialen Schwierigkeiten befinden, soll gerade dann zunächst einmal eine unterstützende Hilfe "aus einer Hand" zukommen, wenn auch Leistungen anderer Träger nach dem SGB XII (oder der Jugendhilfe) geeignet sein können, die besonderen sozialen Schwierigkeiten zu überwinden. Zuständigkeitsfragen sollen im Interesse einer schnellen und effektiven Hilfe für den Bedürftigen zurücktreten und in das Erstattungsverfahren verlagert werden (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 25.4.2018, L 15 SO 342/14, Rz. 39).
2.2 Anspruchsvoraussetzungen im Einzelnen
Rz. 4
Mit der Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten soll die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gesichert werden. Der Anspruch setzt dabei voraus, dass besondere Lebensverhältnisse bestehen, die mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und die dazu führen, dass ein Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt wird. Darüber hinaus darf der Hilfesuchende nicht in der Lage sein, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu beseitigen. Bei den in der Vorschrift gebrauchten Formulierungen der "besonderen Lebensverhältnisse" und der "sozialen Schwierigkeiten" handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die voll gerichtlich überprüfbar sind. Dem Sozialhilfeträger steht mithin kein Beurteilungsspielraum zu.
2.2.1 Soziale Schwierigkeiten
Rz. 5
"Soziale Schwierigkeiten" liegen nach § 1 Abs. 3 DVO vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung oder Beschaffung einer Wohnung, mit der Erlangung oder der Sicherung eines Arbeitsplatzes, mit familiären oder anderen sozialen Beziehungen oder mit Straffälligkeit. Wie der Begriff "insbesondere" zeigt, ist diese Aufzählung nicht abschließend. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 Satz 1 ist ein Zusammenhang von besonderen Lebensverhältnissen und sozialen Schwierigkeiten ausreichend. Eine eindeutige kausale Zuordnung ist nicht erforderlich (OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 7.8.2002, 2 L 70/07).
Rz. 6
Das BSG hat in seinem Urteil v. 12.12.2013 (B 8 SO 24/12) entschieden, dass es sich bei den „sozialen Schwierigkeiten nicht in erster Linie um wirtschaftliche Schwierigkeiten handelt, sondern um die Beeinträchtigung der Interaktion mit dem sozialen Umfeld und damit um die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Es muss sich demnach um soziale Schwierigkeiten handeln, die typischerweise mit besonderen Lebensverhältnissen einhergehen und die über solche sozialen Schwierigkeiten hinausgehen, die bereits für die Inanspruchnahme anderer Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII vorausgesetzt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.1.2015, L 20 SO 503/14 B ER). Daher liegen soziale Schwierigkeiten dann vor, wenn das Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten einer Integration in die Gemeinschaft entgegensteht oder wesentlich erschwert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass anspruchsberechtigt gemäß § 67 nur Personen sein können, denen in besonderen Lebensverhältnissen unmittelbar gravierende soziale Schwierigkeiten drohen, die über das Maß der allgemeinen sozialen Schwierigkeiten hinausgehen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 4.5.2010, L 23 SO 46/10 B ER). Damit genügen familiäre oder partnerschaftliche Probleme alleine nicht, um diese Tatbestandsvoraussetzung zu erfüllen. Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, die dazu führen, dass beim Hilfesuchenden eine erheblic...