Rz. 6

Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, entscheidet nach § 77 Abs. 2 auf Antrag einer Partei eine unabhängige Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer Mitglieder über die strittigen Punkte.

 

Rz. 7

Anders als die Aufforderung zu Vertragsverhandlungen bedarf der Antrag an die Schiedsstelle keiner besonderen Schriftform. Allerdings sehen die auf der Grundlage von § 81 Abs. 2 (bzw. § 94 Abs. 4 BSHG) erlassenen Ausführungsverordnungen der Länder zum Teil zusätzliche Formerfordernisse vor. Gegen solche weitergehenden Anforderungen bestehen keine rechtlichen Bedenken.

In § 77 sind keine Vorgaben für den notwendigen Inhalt des Antrags enthalten. Auch insoweit enthalten die Ausführungsverordnungen der Länder teilweise detaillierte Angaben. Als Mindesterfordernis werden der notwendige Gegenstand des Schiedsverfahrens und die Beteiligten benannt werden müssen.

 

Rz. 8

Der Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahrens kann von beiden Vertragspartnern gestellt werden. Solange beide Anträge anhängig sind, besteht zwischen den Antragstellern eine uneigentliche notwendige Streitgenossenschaft (OVG Lüneburg, Beschluss v. 9.6.1995, 8 P 2267/95).

 

Rz. 9

Mit der Einleitung des Schiedsverfahrens ist den Parteien nicht die Herrschaft über die Vertragsverhandlungen entzogen. Zweifelhaft ist allerdings, ob der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens ohne weiteres zurückgenommen werden kann. Dagegen spricht, dass § 77 der Beschleunigung des Verfahrens dient. Dieses Prinzip könnte dadurch unterlaufen werden, dass eine Partei zunächst das Schiedsverfahren einleitet, um ihm sodann durch Antragsrücknahme die Grundlage zu entziehen. Im Hinblick darauf erscheint es gerechtfertigt, die Antragsrücknahme von der Zustimmung der Gegenseite abhängig zu machen (ebenso Armborst, in: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2003, Rz. 508 m. w. N. zum Streitstand).

 

Rz. 10

Im Unterschied zum bisher geltenden Recht sind sowohl die Leistungs- als auch die Vergütungsvereinbarung schiedsstellenfähig. Die Erweiterung der Schiedsstellenfähigkeit auch auf die Leistungsvereinbarung diene – so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/9522 S. 342 – der gleichgewichtigen Ausgestaltung des Vereinbarungsverfahrens. Zugleich werde insoweit das Schiedsstellenrecht des SGB XI und SGB XII harmonisiert.

 

Rz. 11

Die bisherige Frist von 6 Wochen in dem bis zum 31.12.2019 geltenden § 77 Abs. 1 Satz 3 hat sich in der Praxis vielfach als zu kurz und daher nicht praxisgerecht erwiesen, da die Verhandlungen in dieser Zeitspanne angesichts der Komplexität der Materie nicht abgeschlossen werden kann (so die Gesetzesbegründung, a. a. O.). Die Verlängerung auf 3 Monate (§ 77 Abs. 3) trage, so die Gesetzesbegründung weiter, diesem Umstand Rechnung, wahre aber zugleich die Schutzfunktion der Vorschrift, in dem sie den beteiligten Verhandlungspartnern einen zügigen Abschluss des Verfahrens gewährleisten soll.

Die Schiedsstelle hat unverzüglich eine Entscheidung zu treffen (§ 77 Abs. 2 Satz 2). Unverzüglich heißt dabei – wie über das Zivilrecht hinaus allgemein in der Rechtsordnung – "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 Abs. 1 BGB). Ohne schuldhaftes Zögern wiederum bedeutet nicht etwa sofort, sondern nach Vorlage aller entscheidungserheblichen Unterlagen, der Gewährung des rechtlichen Gehörs gegenüber der anderen Partei sowie einer angemessenen Überlegungsfrist.

 

Rz. 12

Gegen die Entscheidung der Schiedsstelle kann ohne ein weiteres Vorverfahren Klage erhoben werden (§ 77 Abs. 2 Satz 3). Damit ist die Schiedsstellenentscheidung vom Gesetzgeber als Verwaltungsakt ausgestaltet worden (BVerwG, Urteil v. 1.12.1998, 5 C 17/97).

Abs. 2 Satz 4 hebt hervor, dass die Klage im Unterschied zu den Bestimmungen des SGB XI nicht gegen die Schiedsstelle, sondern gegen den jeweiligen Verhandlungspartner zu richten ist. Die Regelung ist unsinnig und verfehlt. Es ist schon nicht einzusehen, wieso ein Beteiligter verklagt werden soll, der über den Streitgegenstand (Schiedsspruch) keinerlei Verfügungsbefugnis besitzt. Überdies verhindert die Vorschrift – abweichend von den sonstigen Überprüfungen von Schiedssprüchen, bei denen richtiger Beklagter jeweils die Schiedsstelle ist –, dass die Schiedsstelle zu einer Neubescheidung verurteilt werden kann. Angesichts der eindeutigen Regelung bedarf die Schiedsstelle auch keiner notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG, zumal ihre Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht kommt, weil die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

Die Gerichte haben sich bei der Überprüfung der dem Schiedsspruch zugrunde liegenden Abwägung zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Belangen auf die Feststellung zu beschränken, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt, alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen und die Abwägung in einem fairen Verfahren frei von Einseitigkeit vorgenommen hat (BVerwG, a. a. O.).

 

Rz. 13

Vor...

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