Rz. 25

Die Schiedsstelle wird nur auf Antrag tätig. Zu den Einzelheiten, insbesondere der Prüfungskompetenz der Schiedsstelle und etwaigen Formerfordernissen, vgl. die Komm. zu § 77.

 

Rz. 26

Für das Schiedsverfahren gilt der Dispositionsgrundsatz. Zwar schreibt § 77 Abs. 2 unter den dort bestimmten näheren Voraussetzungen ein zwingendes Schiedsverfahren vor. Ungeachtet dessen haben es die Parteien dieses Verfahrens jedoch jederzeit in der Hand, der Schiedsstelle die Entscheidungskompetenz zu entziehen, indem sie außerhalb des Schiedsverfahrens eine Einigung treffen. Umgekehrt ist die Schiedsstelle an die Anrufung durch die Beteiligten gebunden. Lediglich einvernehmlich kann sie im Rahmen ihres Schiedsspruchs eine Materie im Annexwege mitregeln, derentwegen sie ursprünglich nicht angerufen worden ist. Zur Frage, ob die Dispositionsmaxime auch zur Rücknahme des Antrags nach § 77 Abs. 2 berechtigt, vgl. Komm. dort.

 

Rz. 27

Wird in Ausübung des Dispositionsrechts das Schiedsverfahren durch einverständliche Rücknahme oder durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet, ist die Einstellung des Verfahrens deklaratorisch auszusprechen und über die Verteilung der bislang entstandenen Kosten durch Beschluss zu entscheiden.

 

Rz. 28

Für den Ablauf des Schiedsverfahrens gilt der Untersuchungsgrundsatz. Entsprechend §§ 20, 21 SGB X hat die Schiedsstelle den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.9.2008, L 20 SO 92/06; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 2007, § 77 Rz. 14; Schoenfeld, in: Grube/Wahrendorf, 2. Aufl. 2008, § 80 Rz. 16; a. A. Münder, in: LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, § 80 Rz. 6: vorrangig seien auch insoweit die Dispositions- und die Verhandlungsmaxime). An die Mitwirkungspflicht der Beteiligten sind dabei aber – anders als im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren sonst – hohe Anforderungen zu stellen. Es kann erwartet werden, dass die jeweiligen Interessenlagen dargelegt und erforderlichenfalls auch selbständig belegt werden. Andererseits ist die Schiedsstelle an übereinstimmendes Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden. Letzterem wird nicht genügend Bedeutung beigemessen, wenn in der Literatur die Auffassung vertreten wird, die Schiedsstellen hätten den Amtsermittlungsgrundsatz nur eingeschränkt zu beachten (vgl. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 17. Aufl. 2006, § 80 Rz. 4).

 

Rz. 29

Insbesondere § 77 Abs. 1 ist der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, die Prinzipien der Beschleunigung und der Konzentration wirksam werden zu lassen. Nähere Ausgestaltungen dazu finden sich im SGB XII allerdings nicht. Sie könnten jedoch in den Ausführungsverordnungen der Länder erfolgen. Insbesondere wären auch Präklusionsvorschriften zulässig.

 

Rz. 30

Ohne dass dies in den Vorschriften des SGB XII ausdrücklich erwähnt würde, gilt für die Schiedsstelle das Prinzip der Mündlichkeit. Dem entspricht es, dass vereinzelt eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zulässig ist, wenn die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichten (vgl. § 9 Abs. 2 SchVO NRW).

 

Rz. 31

Eng mit dem Prinzip der Mündlichkeit hängen die Verfahrensgrundsätze der Unmittelbarkeit und des rechtlichen Gehörs zusammen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.9.2008, L 20 SO 92/06; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 2007, § 77 Rz. 15). Unmittelbarkeit bedeutet, dass für die Entscheidung wesentliche Feststellungen grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung getroffen werden müssen. Geschieht dies nicht oder wird insoweit auf verfahrensvorbereitende Schriftsätze Bezug genommen, so muss sichergestellt sein, dass alle Beteiligten hiervon in zumutbarer Weise Kenntnis erlangt haben und Stellung nehmen konnten. Damit unvereinbar ist es z. B., wesentliche tatsächliche Erkenntnisse erst in der mündlichen Verhandlung mitzuteilen, ohne dass die Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur Überprüfung und Stellungnahme erhalten. Hierin liegt ggf. eine Verletzung rechtlichen Gehörs, die den Schiedsspruch anfechtbar macht.

 

Rz. 32

Für die mündliche Verhandlung gilt weiter das Prinzip der Parteiöffentlichkeit. Dabei handelt es sich – anders als im gerichtlichen Verfahren – um eine eingeschränkte Öffentlichkeit. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, in den Ausführungsverordnungen einem erweiterten Personenkreis die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung zu gestatten (a. A. Armborster, in: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2003, Rz. 533). Voraussetzung ist freilich, dass die Vorschriften des Sozialdatenschutzes (§ 35 Abs. 4 SGB I i. V. m. Kap. 2 SGB X) gewahrt bleiben.

 

Rz. 33

Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung obliegt dem Vorsitzenden. Er kann z. B. die Parteien des Schiedsverfahrens zur Ergänzung, Erläuterung und Präzisierung ihres schriftsätzlichen Vortrags auffordern, auf die Stellung bzw. Vervollständigung sachdienlicher Anträge hinwirken, Akten und Unterlagen beiziehen sowie Auskünfte einholen. Ebenso hat er das Recht zur Fristsetzung, das allerdings in Ermangelung hinrei...

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