0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde mit Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) eingeführt, trat am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 a. a. O.) in Kraft und ist seither unverändert geblieben. Sie übertrug den bisherigen § 79 Abs. 4 BSHG inhaltsgleich in das SGB XII (BT-Drs. 15/1514 S. 66).
1 Allgemeines und Rechtspraxis
Rz. 2
Die Norm soll es ermöglichen, besondere örtliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. Außerhalb des SGB XII wird auf die Vorschrift in § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BerRehaG und in § 1836c Nr. 1 BGB verwiesen. Sie ermächtigt die Bundesländer, den Grundbetrag abweichend von § 85 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 für bestimmte Hilfearten durch abstrakt-generelle Regelungen (Gesetz, Rechtsverordnung) zu erhöhen. Es dürfen nur höhere, keinesfalls niedrigere Grundbeträge festgesetzt werden (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 86 Rz. 2; Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 86 Rz. 10). Eine Obergrenze ist nicht vorgegeben. Abweichende Regelungen zu den Kosten der Unterkunft (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) oder zu den Familienzuschlägen (§ 85 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3) sind ausgeschlossen. Von der Ermächtigung haben derzeit folgende Länder Gebrauch gemacht und die Voraussetzungen für den Erlass entsprechender Rechtsverordnungen geschaffen:
- Berlin (§ 4 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII – AG-SGB XII – v. 7.9.2005),
- Brandenburg (§ 16 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII – AG-SGB XII – v. 3.11.2010),
- Mecklenburg-Vorpommern (§ 7 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII – SGB XII-AG M-V – v. 20.12.2004),
- Niedersachsen (§ 18 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des SGB IX und des SGB XII – Nds. AG SGB IX/XII – v. 24.10.2019; zuvor § 15 Nds. AG SGB XII),
- Saarland (§ 8 Gesetz zur Ausführung des SGB XII – AGSGB XII – v. 8.3.2005),
- Sachsen (§ 15 Abs. 4 Satz 2 des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des SGB – SächsAGSGB – v. 6.6.2002) und
- Thüringen (§ 9 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des SGB XII – ThürAGSGB XII – v. 17.12.2004).
Rz. 3
Auch die Träger der Sozialhilfe können höhere Grundbeträge durch (kommunale) Satzungen oder Allgemeinverfügungen festlegen, soweit landesrechtliche Vorschriften gänzlich fehlen oder Erhöhungen nicht ausschließen ("nicht entgegenstehen"). Dabei dürfen die Grundbeträge nur abstrakt-generell für im Vorhinein bestimmte Hilfearten erhöht werden. Zu Abweichungen in konkret-individuellen Einzelfällen ermächtigt die Vorschrift nicht (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 86 Rz. 2). Da es eine zentrale Informationsquelle für Einzelregelungen der Sozialhilfeträger nicht gibt, bringt in der Praxis nur eine Nachfrage beim jeweiligen Träger Klarheit über einen ggf. abweichenden Grundbetrag (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, § 86 Rz. 18).
2 Literatur
Rz. 4
Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018.
Hauck/Noftz, SGB XII, 24. Erg.-Lfg. 3/19.
Schlegel/Voetzke (Gesamthrsg.), Coseriu/Siefert (Bandhrsg.), jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020.