Rz. 5

Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie die Formulierung "insbesondere" zeigt (BSG, Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 23/08 R), sodass im Einzelfall weitere Kriterien ausschlaggebend herangezogen werden können (z. B. das Alter, der Familienstand und die Familienverhältnisse). Auch die Rechtsnatur der Leistung als Muss-, Soll- oder Kann-Leistung beeinflusst den angemessenen Umfang der Selbstbeteiligung (Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 29).

2.3.1 Art des Bedarfs

 

Rz. 6

Hierbei ist u. a. zu berücksichtigen, ob der Bedarf vorhersehbar oder unvorhersehbar (Unglücksfall, Schicksalsschlag) war, ob die nachfragende Person die Bedarfslage selbst mit verursacht hat (z. B. grundlose Eigenkündigung eines Arbeitsverhältnisses) und ob der Mitteleinsatz die sozialpolitischen Leitvorstellungen der Hilfe gefährdet (vgl. Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 87 Rz. 13; Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGBXII, § 87 Rz. 13; Schoch, in: LPK-SGB XII, § 87 Rz. 8).

2.3.2 Art oder Schwere der Behinderung

 

Rz. 7

Zu berücksichtigen sein können sowohl die finanziellen als auch die immateriellen Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gemeinschaft (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 87 Rz. 14; Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, § 87 Rz. 24; Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 14). Führt die Behinderung zu erhöhten Lebenshaltungskosten (z. B. Krankenkost), so ist dieser Mehrbedarf einsatzmindernd zu berücksichtigen.

2.3.3 Art oder Schwere der Pflegebedürftigkeit

 

Rz. 8

Ist die nachfragende Person pflegebedürftig und wird der Pflegeaufwand nicht oder nicht vollständig durch die gesetzliche Pflegeversicherung gedeckt, so kann dieser pflegebedingte Mehrbedarf die Eigenbeteiligung mindern.

2.3.4 Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen

 

Rz. 9

Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen können als Tatbestandselemente sowohl als Begriffspaar, als auch jeweils einzeln von Bedeutung sein (Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 15). Bei der Dauer der Aufwendungen kann zwischen einmaligen (z. B. Operation), wiederkehrenden (z. B. Sehhilfen) sowie langfristigen Aufwendungen (z. B. Produkte, die bei einer längerfristigen Pflege benötigt werden) unterschieden werden (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 87 Rz. 15). Dabei wird ein einmaliger Bedarf den Eigenanteil i. d. R. weniger stark verringern als ein langfristiger Dauerbedarf (Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 87 Rz. 15; Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 16; Schoch, in: LPK-SGB XII, § 87 Rz. 10; zum BSHG: BVerwG, Urteil v. 1.7.1970, V C 40/70). Die Höhe der Aufwendungen spielt – wie bei § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 – dann eine Rolle, wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel einzusetzen sind (vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 17). Ein nur geringer Bedarf, dessen Deckung einen angemessenen Einkommensrest belässt, kann auch zu einer längerfristigen Einkommensberücksichtigung führen (vgl. Gutzler, in: jurisPK-SGB XII, § 87 Rz. 25). Erforderlich sind die Aufwendungen, wenn sie die Notlage oder ihre Folgen beheben oder mindern.

2.3.5 Besondere Belastungen

 

Rz. 10

Daneben sind besondere Belastungen der nachfragenden Person oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die in die Einsatzgemeinschaft einbezogenen Personen, auch wenn sie nicht unterhaltsberechtigt sind (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.2.2012, L 7 SO 3580/11; Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 19; Schoch, in: LPK-SGB XII, § 87 Rz. 11). Gemeint sind insbesondere finanzielle Verpflichtungen, die über den normalen Lebensbedarf hinausgehen. Es muss sich um notwendige oder unabweisbare Sonderbelastungen handeln, die tatsächlich bestehen und nicht erst künftig anfallen (vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 20). Die Berücksichtigung von besonderen Belastungen nach Satz 2 setzt voraus, dass diese nicht schon im Freibetrag nach Satz 3 typisierend enthalten sind (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.2.2012, L 7 SO 3580/11).

Hierzu zählen insbesondere:

  • Schuldverpflichtungen, die vor der Notlage eingegangen worden sind und einen notwendigen Bedarf decken sollten (vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 21; Schoch, in: LPK-SGB XII, § 87 Rz. 1). Verschuldet sich der Leistungsberechtigte nach Eintritt der Notsituation, muss der Bedarf unabweisbar sein (z. B. Kauf eines Elektroherdes);
  • Kosten im Zusammenhang mit Familienereignissen in üblichem Umfang (Geburt, Kommunion, Konfirmation, Heirat, Beerdigung usw.; vgl. Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 87 Rz. 22; Schoch, in: LPK-SGB XII, § 87 Rz. 12);
  • Schul- und Kindergartenbeiträge;
  • Kosten für Fort- und Weiterbildung;
  • Kosten für zweckentsprechende Rechtsverfolgung (keine Geldbußen oder -strafen, Lippert/Zink, in: Mergler/Zink, SGB XII, §...

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