Rz. 12

Nach Abs. 1 ist nur das verwertbare Vermögen einzusetzen. Diese Einschränkung ergibt sich daraus, dass ein Bedarf tatsächlich nur mit bereiten Mitteln gedeckt werden kann. Derjenige, der auf sein Vermögen im Falle einer Notlage nicht zugreifen kann – es nicht verwerten kann –, kann auch nicht darauf verwiesen werden, dieses vorrangig zur Deckung seines Bedarfs einzusetzen. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (vgl. BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 19/10 R), z. B. durch Beleihung unter Bestellung eines Pfand- oder Grundpfandrechts, oder Erträge aus ihr gewonnen werden können, z. B. durch Vermietung oder Verpachtung. Aus der Selbsthilfeverpflichtung des § 2 Abs. 1 folgt jedoch, dass grundsätzlich die Verwertungsart zu wählen ist, die den Bedarf des Hilfebedürftigen am umfänglichsten beseitigt, also den höchsten Deckungsgrad besitzt (BSG, Urteil v. 24.3.2015, B 8 SO 12/14 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.7.2016, L 20 SO 241/12; Mecke, in: juris-PK SGB XII, § 90 Rz. 40).

 

Rz. 13

Die Verwertbarkeit beurteilt sich dabei unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss also über das Vermögen verfügen dürfen und verfügen können.

 

Rz. 14

Aus rechtlichen Gründen ist die Verwertung ausgeschlossen, wenn der Hilfesuchende nicht (mehr) befugt ist, über den Vermögensgegenstand zu verfügen (z. B. nach Abtretung nach § 398 BGB, Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO oder Pfändung nach § 829 Abs. 1 ZPO). Der Einwand eines Hilfesuchenden, er könne ohne Zustimmung des Ehepartners nicht über einen Miteigentumsanteil z. B. an einer Wohnung verfügen, führt nicht zu einer Unverwertbarkeit aus rechtlichen Gründen. Aus den Regelungen zur Einsatzgemeinschaft (§§ 19 Abs. 1 und 327 Abs. 1 und 2, 41 und 43) ergibt sich vielmehr ausdrücklich, dass auch das alleinige Vermögen des Ehepartners bei der Gewährung von Sozialhilfe zu berücksichtigen ist, so dass sogar die Konstellation erfasst wird, in der eine Verfügungsbefugnis des Hilfesuchenden fehlt. Diesem Konzept würde es zuwider laufen, wenn der Hilfesuchende einwenden könnte, über das Vermögen überhaupt nicht verfügen zu können. Folgerichtig muss es für die Verwertbarkeit genügen, dass beide Eheleute (oder andere Personen einer Einsatzgemeinschaft) gemeinsam über einen Vermögensgegenstand verfügen können (vgl. BSG, Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 13/11 R). Werden Unterstützungsleitungen tatsächlich nicht erbracht kann eine sog. unechte Sozialhilfe nach § 19 Abs. 5 gegen Ersatz der Aufwendungen zu leisten sein (vgl. BSG, Urteil v. 6.12.2018, B 8 SO 2/17 R).

 

Rz. 15

Die Beurteilung der tatsächlichen Verwertbarkeit verlangt eine Betrachtung des Einzelfalls. Faktische Verwertungshindernisse können sich aus dem Vermögensgegenstand oder aus der Person des Vermögensinhabers ergeben. So ist ein Gegenstand oder ein Recht beispielsweise nicht verwertbar, wenn sich auf dem Markt tatsächlich niemand findet, der bereit ist, den Gegenstand zu übernehmen oder zu belasten, der Gegenstand also nicht marktgängig ist, z. B. weil der Gegenstand bereits über seinen Wert hinaus belastet ist. In der Person des Vermögensinhabers kann sich z. B. eine hohe Überschuldung, die gesundheitliche Situation oder eine vertraglich gesicherte Verpflichtung zur Pflege der Eltern, gebunden an eine bestimmte Wohnstätte, als faktisches Verwertungshindernis auswirken (vgl. BSG, Urteile v. 15.9.2009, B 8 SO 7/08 R, v. 25.8.2011, B 8 SO 19/10 R, und v. 9.12.2016, B 8 SO 15/15 R).

 

Rz. 16

Die Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung wirkt sich auf die Verwertbarkeit grundsätzlich nicht aus und ist im Rahmen der Härtefallprüfung des Abs. 3 zu berücksichtigen.

 

Rz. 17

Dabei ist auch ein zeitliches Moment zu berücksichtigen, nämlich welche Zeit zur Verwertung des Vermögens voraussichtlich erforderlich sein wird. Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel. Ist völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, ist von einer generellen Unverwertbarkeit des Gegenstandes auszugehen. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist nach der Rechtsprechung des BSG im Regelfall der Zeitraum, für den Leistungen bewilligt werden, für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Hilfe zum Lebensunterhalt also regelmäßig der 12-monatige Bewilligungszeitraum des § 44 Abs. 1 Satz 1 a. F. (vgl. BSG, Urteil v. 25.08.2011, B 8 SO 19/10 R, und Urteil v. 9.12.2016, B 8 SO 15/15 R). Der 8. Senat des BSG hat sich damit der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG zu einer generellen Unverwertbarkeit i. S. d. § 12 Abs. 1 SGB II mit der Maßgabe angeschlossen, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für diese Bereiche auf den ggü. dem SGB II (dort 6 Monate) längeren Bewilligungszeitraum abzustellen ist. Das Zeitmoment greift auch dann, wenn zwar konkret fests...

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