Rz. 36
Eigenheime und Eigentumswohnungen gehören grundsätzlich zum verwertbaren Vermögen des Leistungsberechtigten. Selbstbewohnte Hausgrundstücke können dagegen zum Schonvermögen zählen. Damit soll eine vorhandene Wohnstätte zur Erfüllung des "Grundbedürfnisses Wohnen" als räumlicher Lebensmittelpunkt erhalten werden, um dem Hilfesuchenden das "Dach über dem Kopf zu erhalten" (vgl. BSG, Urteil v. 20.9.2012, B 8 SO 13/11 R).
Der Regelungsgehalt unterscheidet sich von der Parallelvorschrift des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II (vgl. auch BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 14 AS 90/12 R).
2.2.8.1 Selbstbewohntes Hausgrundstück (Satz 1)
Rz. 37
Ein (Wohn-)Hausgrundstück ist nur privilegiert, wenn es der Leistungsberechtigte oder andere Personen der Einsatzgemeinschaft (nicht getrennt lebender Ehegatten, Lebenspartner oder eheähnliche Partner bzw. Eltern minderjähriger und unverheirateter Kinder) allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnen und nach dem Tod des Leistungsberechtigten weiter bewohnen sollen. Damit schließt der Gesetzgeber die bisherige Familienwohnung als zentrales Element menschenwürdigen Daseins von der Verwertung aus (vgl. BSG, Urteil v. 4.9.1979, 7 RAr 115/78). Der Begriff des Angehörigen orientiert sich an § 16 Abs. 5 Nr. 3 SGB X (vgl. Giere, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 90 Rz. 51). Pflegekinder sind ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 12.1.2013, B 14 AS 90/12 R). Zieht der Hilfesuchende z. B. in ein Pflegeheim, so gehört das Hausgrundstück dem Wortlaut nach weiterhin zum Schonvermögen, solange andere Personen der Einsatzgemeinschaft in dem Haus wohnen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift, die Wohnung zur Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" zu erhalten, ist der Schutz der Wohnstatt nicht für Hilfesuchende ohne Angehörige ausgeschlossen. Dem steht auch nicht die Formulierung "und nach ihrem Tod bewohnt werden soll" entgegen (vgl. BSG, Urteil v. 9.12.2016, B 8 SO 15/15 R).
Rz. 38
Der Begriff des Hausgrundstücks ist durch die soziale Zielsetzung des SGB XII geprägt und weit auszulegen. Geschützt ist die Wohnstätte, also der räumliche Lebensmittelpunkt des Hilfebedürftigen, z. B. ein Einfamilienhaus, eine Eigentumswohnung, ein Dauerwohnrecht i. S. d. § 31 WEG. Erfasst sind auch Häuser, die aufgrund eines Erbbaurechts errichtet wurden (vgl. BSG, Urteil v. 24.3.2015, B 8 SO 12/14 R). Weitere Flächen sowie Garagen sind durch Veräußerung, Verpachtung oder Vermietung einzusetzen. Lassen sich diese von dem selbstbewohnten Hausgrundstück nicht trennen, ist die Privilegierung einheitlich zu prüfen (vgl. BSG, a. a. O.). Nicht erfasst werden Zweitwohnungen, Ferienhäuser und Mehrfamilienhäuser, ferner geschäftlich oder gewerblich genutzte Grundstücke oder ein Künstleratelier (BSG, Urteil v. 23.11.2006, B 11b AS 3/06 R).
Rz. 39
Ist das Familienheim bereits veräußert oder zwangsversteigert worden, so fallen die daraus herrührenden Mittel nicht unter einen verlängerten Schutz entsprechend § 90 Abs. 2 Nr. 8, sondern sind – vorbehaltlich der Nr. 9 und des Abs. 3 – zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen.
2.2.8.2 Angemessenheit des Hausgrundstücks (Satz 2)
Rz. 40
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit bestimmt sich nach der vom Bundesverwaltungsgericht zu § 88 BSHG entwickelten Kombinationstheorie, der sich das BSG angeschlossen hat. Danach ist die Angemessenheit nach Maßgabe und Würdigung aller in Nr. 8 bezeichneten personen-, sach- und wertbezogenen Kriterien zu beurteilen (BVerwG, Urteil v. 17.1.1991, 5 C 53/86; BSG, Urteil v. 27.2.2019, B 8 SO 15/17 R m. w. N.): der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (z. B. behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt, der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes. Diese Kriterien sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter- und gegeneinander abzuwägen. Soweit z. B. ein Kriterium die Grenze der Angemessenheit überschreitet, führt dies nicht automatisch zur Unangemessenheit des Hausgrundstücks (vgl. BSG, Urteile v. 24.3.2015, B 8 SO 12/14 R und v. 19.5.2009, B 8 SO 7/08 R).
Rz. 41
Befinden sich in einem Haus 2 Wohnungen, die zusammen die Angemessenheitsgrenze überschreiten und wird nur eine der Wohnungen zur Deckung des Grundbedürfnisses Wohnen genutzt, unterliegt die andere Wohnung grundsätzlich nicht dem Schutz der Nr. 8. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die zweite Wohnung nicht z. B. durch Vermietung verwertet wird, sodass schon deshalb eine Nichtberücksichtigung wegen einer anderweitigen Verwertungsform (als dem Verkauf) von vornherein ausscheidet (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.7.2016, L 20 SO 241/12).
Rz. 42
Das Gesetz nennt zunächst die Zahl der Bewohner. Die Bewohner sind zu den Wohnflächen in Bezug zu setzen. In einem 4-Personen-Haushalt ist die Hausgröße bei Familienheimen bis zu einer Wohnfläche von 130 qm und bei Eigentumswohnungen bis zu einer Wohnfläche von 120 qm (bei zu einer Mindestgröße von 80 qm) generell angemessen. Für Haushalte mit weniger als 4 Personen ist die Woh...