Rz. 12
Abs. 3 enthält weitere Freistellungstatbestände.
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bringt eine Verwaltungsvereinfachung durch Wegfall der bisherigen Doppelberechnungen (BT-Drs. 15/1514 S. 66). Ein Unterhaltsübergang soll nicht erfolgen, wenn eine Leistungsberechtigung nach dem Kapitel 3 (Hilfe zum Lebensunterhalt) oder dem Kapitel 4 (Grundsicherung) gegeben ist oder durch Heranziehung zu Unterhalt eintreten würde; um Letzteres festzustellen, ist eine sozialhilferechtliche Vergleichsberechnung anzustellen.
Demgegenüber ist Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 eine allgemeine Härteregelung. Bei der Prüfung, ob eine "unbillige Härte" vorliegt, sind sowohl materielle als auch immaterielle Belange zu berücksichtigen, und zwar sowohl in der Person des Unterhaltspflichtigen als auch des Leistungsberechtigten. Hierbei ist in erster Linie auf die Zielsetzung der Leistungen abzustellen. Ergänzend sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe heranzuziehen, insbesondere der Grundsatz der familiengerechten Leistungen nach § 16, ferner allgemein die soziale Lage, die nicht vernachlässigt werden darf. Deswegen kann eine unbillige Härte vorliegen, wenn eine nachhaltige Störung des Familienfriedens bei Anspruchsübergang zu befürchten ist, beispielsweise bei Gefährdung des weiteren Verbleibens des Leistungsempfängers in der Familie, ferner bei die Sozialkasse entlastender freiwilliger Pflege des Leistungsberechtigten durch den Unterhaltspflichtigen und auch mit Rücksicht auf die soziale und wirtschaftliche Lage des Unterhaltspflichtigen, vor allem mit Blick auf Schwere und Dauer des Bedarfs (BGH, Urteil v. 23.7.2003, XII ZR 339/00, FamRZ 2003 S. 299 m. w. N.). Eine nachhaltige Störung des Familienfriedens durch ein weiteres Verbleiben des Hilfeempfängers im Familienverband wird aber regelmäßig dann nicht in Betracht kommen, wenn der Hilfeempfänger bereits dauerhaft in der Pflegeeinrichtung untergebracht ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 26.1.2015, L 20 SO 12/14, Rz. 48). Weiter kann eine Härte vorliegen, wenn der Elternteil wegen einer auf seine Kriegserlebnisse zurückzuführenden psychischen Erkrankung nicht in der Lage war, für das auf Elternunterhalt in Anspruch genommene Kind zu sorgen (BGH, Urteil v. 21.4.2004, XII ZR 251/01, FamRZ 2004 S. 521). Eine unbillige Härte kann darin bestehen, dass ein Sozialhilfeträger einen übergegangenen Unterhaltsanspruch auch insoweit geltend macht, als eine Sozialhilfebedürftigkeit hätte vermieden werden können und dies gerade auf einem Handeln des Staates oder seiner Organe beruht, etwa durch den Abschluss einer Pflegeversicherung; dabei soll es dahin stehen können, ob die rechtliche Möglichkeit des Abschlusses einer Pflegeversicherung bestand, da ein solches Ergebnis ebenso dem Staat zuzurechnen wäre (BGH, Beschluss v. 17.6.2015, XII ZB 458/14, Rz. 38, m. w. N.). Im Rahmen der Bedarfsberechnung sind dann die fiktiven Beiträge zu der Versicherung zu berücksichtigen. Haben Unterhaltspflichtige vor dem Eintritt der Sozialhilfe Betreuungsleistungen übernommen, kann dies im Rahmen des Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 zu einer prozentualen Kürzung des übergegangen Anspruchs führen (BGH, Beschluss v. 17.6.2015, XII ZB 458/14, Rz. 41).
Verfahrenstechnisch ist Abs. 3 Satz 2 zu beachten: Sofern nicht der Sozialhilfeträger bereits positive Kenntnis von den Ausschlusstatbeständen aus Satz 1 hat, müssen Unterhaltspflichtiger oder Leistungsberechtigter ihn in Kenntnis setzen. Die Anwendung der sozialhilferechtlichen Schutzvorschriften in Abs. 3 Satz 1 im Unterhaltsprozess ist also ausgeschlossen, solange der Sozialhilfeträger keine Kenntnis von der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen hat (OLG Stuttgart, Beschluss v. 9.10.2007, 8 WF 128/07, FamRZ 2008 S. 144). Dieses vereinfachte Verfahren entlastet die Unterhaltspflichtigen und den Träger der Sozialhilfe gleichermaßen und stellt eine deutliche Verwaltungsvereinfachung dar (BT-Drs. 15/1514 S. 66).