0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist nach Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 in Kraft getreten. Die Abs. 1, 4 und 5 übertragen – im Wesentlichen – inhaltsgleich die bisherigen Regelungen des § 91 Abs. 1, 3 und 4 BSHG; Abs. 2 und 3 modifizieren § 91 Abs. 2 BSHG. Seit Inkrafttreten des SGB XII wurde mit Wirkung zum 30.3.2005 der Verweis in Abs. 2 Satz 1 redaktionell an die geänderte Kapitelnummerierung durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) angepasst (BT-Drs. 15/4228 S. 33). Mit Wirkung zum 7.12.2006 erfolgte durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze v. 2.12.2006 (BGBl. I S. 2670) eine Klarstellung, wonach die Schutzvorschriften aus Abs. 1 Satz 6 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 auch bei Grundsicherungsleistungen gelten.
Die vormals in Abs. 1 Satz 6 enthaltene Beschränkung, wonach bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen§ 105 Abs. 2 für anwendbar erklärt wurde, ist durch das Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2559) mit Wirkung zum 1.1.2016 ersatzlos weggefallen. Nach der ursprünglichen Regelung sollte bewirkt werden, dass sich der zum 1.1.2005 eingetretene Ausschluss u. a. der Sozialhilfeempfänger vom Wohngeldbezug rechtlich und tatsächlich nicht auf den Betroffenen auswirkt und entsprechend auch der Unterhaltsanspruch nicht übergehen sollte. Die Beschränkung galt auch die Unterbringung in einer stationären Einrichtung (BGH, Beschluss v. 17.6.2015, XII ZB 458/14, Rz. 45). Durch die nunmehr erfolgte Streichung der Beschränkung geht der Unterhaltsanspruch uneingeschränkt über. Nach der Gesetzesbegründung sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass § 94 auf die Erstattung von Sozialhilfeleistungen durch einen Dritten und nicht durch die leistungsberechtigte Person abziele, weshalb die Verweisung auf § 105 Abs. 2 systematisch fehl gegangen sei. Zum anderen habe die leistungsberechtigte Person den verbleibenden Unterhaltsanspruch zur Beseitigung von Hilfebedürftigkeit gegen die unterhaltsverpflichtete Person ohnehin geltend zu machen; für eine anteilige Durchsetzung eines einheitlichen Unterhaltsanspruchs sowohl durch den zuständigen Träger als auch durch die unterhaltsberechtigte Person bestehe kein Bedürfnis (Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 8.10.2015, BT-Drs. 18/6284 S. 32).
Durch das Dritte Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3209) erfolgte zum 1.1.2017 in Abs. 2 Satz 1 eine redaktionelle Änderung im Hinblick auf den nunmehr in § 61a geregelten Pflegebedürftigkeitsbegriff.
Parallelvorschrift bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist § 33 Abs. 2 SGB II. § 7 UVG enthält eine entsprechende Vorschrift für gegenüber der Sozialhilfe vorrangige Ansprüche nach dem UVG.
1 Allgemeines
Rz. 2
In § 94 ist eine abschließende Sonderregelung für den Übergang zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche und auf diese bezogene Auskunftsansprüche enthalten. Die Vorschrift dient ebenso wie § 93 der Wiederherstellung des Nachrangs und ist gleichzeitig Folge des Faktizitätsprinzips. Denn an sich hätte der Leistungsberechtigte wegen des Nachrangs der Sozialhilfe bei bestehendem Unterhaltsanspruch keinen Leistungsanspruch. Nur wenn der Unterhaltsanspruch die Notlage nicht oder nicht rechtzeitig beseitigen kann (Grundsatz des Tatsächlichen), besteht ausnahmsweise Anspruch auf Leistungen. Um dann den Nachrang wieder herzustellen bedarf es – im Gegensatz zu § 93 – grundsätzlich keines weiteren Tätigwerdens des Sozialhilfeträgers in Form der Überleitung des zivilrechtlichen Unterhaltsanspruchs durch (ermessensfehlerfreie) Anzeige. Vielmehr geht dieser Anspruch kraft Gesetzes auf den Sozialhilfeträger über, was die Herstellung des Nachrangs zu den Unterhaltspflichtigen erleichtert. Gleichzeitig enthält die Vorschrift zugunsten aller Unterhaltspflichtigen Schutzbestimmungen, die den Anspruchsübergang ganz oder teilweise ausschließen. Der Leistungsberechtigte wird durch die Heranziehung des Unterhaltspflichtigen nicht in eigenen Rechten verletzt (LSG Hamburg, Urteil v. 20.10.2016, L 4 SO 5/16, Rz. 17).
In Abs. 1 sind einerseits die Voraussetzungen des Anspruchsübergangs definiert und andererseits ist geregelt, wann der Übergang entfällt; solche Ausschlusstatbestände kennt auch Abs. 3.
Abs. 2 regelt Besonderheiten für Unterhaltspflichtige von behinderten und pflegebedürftigen Personen.
Abs. 4 regelt das Verfahren in den Fällen, in denen Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit oder Leistungen für die Zukunft betroffen sind.
Abs. 5 enthält Regelungen zur Durchsetzung der Ansprüche, insbesondere die Rückübertragung des Anspruchs auf den Leistungsberechtigten zwecks gerichtlicher Geltendmachung.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen des Anspruchsübergangs
Rz. 3
Nach Abs. 1 Satz 1 gehen folgende zivilrechtliche Unterhaltsansprüche des Leistungsberech...