Rz. 3
Die Feststellung der Sozialleistung setzt voraus, dass dem Leistungsberechtigten ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung und dem Sozialhilfeträger genau wegen dieses Anspruchs ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Leistungsträger zusteht. Mit "anderer Sozialleistung" sind zunächst alle Sozialleistungen i. S. v. § 11 SGB I gemeint, die im Einzelnen in §§ 18 bis 29 SGB I aufgeführt sind (vgl. BSG, Urteil v. 22.4.1998, B 9 VG 6/96 R, BSGE 82 S. 112):
- Leistungen der Ausbildungsförderung nach § 18 SGB I,
- Leistungen aus den 5 Sozialversicherungsbereichen nach §§ 19 bis 23 SGB I (Arbeitsförderung, Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung); vgl. zum Verhältnis letzterer zur stationären Eingliederungshilfe Schweigler, SGb 2014 S. 307),
- Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19a SGB I,
- Versorgungsleistungen bei Gesundheitsschäden nach § 24 SGB I,
- Kindergeld und Erziehungsgeld nach § 25 SGB I,
- Wohngeld nach § 26 SGB I,
- Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 27 SGB I,
- Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen nach § 29 SGB I.
Darüber hinaus sind auch die in § 68 SGB I aufgeführten „besonderen Teile“ des Gesetzbuches erfasst (vgl. Armbruster, in juris-PK SGB XII, § 95 Rz. 62; Münder, in: LPK-SGB XII, § 62 Rz. 2). Für eine einschränkende Auslegung, welche die in § 68 SGB I genannten „besonderen Teile“ ausklammert (so wohl H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 95 Rz. 10) bietet die Gesetzesbegründung zu § 91a BSHG (BT-Drs. 9/95. S. 15, 31) keine Anhaltspunkte. Eine Sozialleistung in diesem Sinne beinhaltet eine Dienst-, Sach- oder Geldleistung, womit der Wortlaut der Norm eine Befugnis zur Geltendmachung von Gestaltungsrechten (z. B. die Erklärung eines Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung) nicht hergibt (vgl. BSG, Urteil v. 19.12.1991, 12 RK 24/90, Rz. 26, juris).
Berechtigt durch § 95 werden die Träger der Sozialhilfe i. S. d. § 3. Zu den Leistungen der Sozialhilfe gehören auch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel, und zwar unbeschadet des Umstandes, dass § 46b Abs. 2 u. a. die Regelung des § 3 für unanwendbar erklärt (vgl. Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 95 Rz. 14, der zutreffend darauf hinweist, dass Grundsicherungsleistungen gemäß. § 8 Nr. 2 Sozialhilfeleistungen darstellen).
Rz. 4
Wegen dieser Sozialleistungen muss der Sozialhilfeträger gegenüber dem anderen Leistungsträger erstattungsberechtigt sein, vornehmlich nach den §§ 102 ff. SGB X. Nicht erfasst sind Erstattungsansprüche gegen den Leistungsberechtigten selbst, etwa aus § 50 SGB X sowie den § 102 ff. SGB XII, denn bei dem Leistungsberechtigten handelt es sich nicht um einen "anderen" i. S. des Fünften Abschnitt s des Elften Kapitels des SGB XII (vgl. Armbruster, in juris-PK, § 95, Rz. 37; Grube, in: Grube/Wahrendorf, § 95, Rz. 6; Hölzer, in: BeckOK, § 95, Rz. 2; Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, § 95, Rz. 16; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, § 95, Rz. 9). Der Erstattungsanspruch muss noch nicht tatsächlich bestehen. Es reicht aus, dass der Sozialhilfeträger einen Erstattungsanspruch haben kann, da das Feststellungsverfahren sonst keine eigenständige Bedeutung hätte; der Sozialhilfeträger könnte bei bestehendem Erstattungsanspruch direkt aus diesem vorgehen, ohne den Weg über das Feststellungsverfahren gehen zu müssen (BSG, Urteil v. 6.2.1997, 3 RK 12/96, BSGE 80 S. 93; Urteil v. 14.9.1994, 3/1 RK 56/93, SozR 3-2500 § 33 Nr. 11). Demnach muss die Sozialhilfe noch nicht bewilligt worden sein. Andererseits muss ein Erstattungsanspruch wegen dieser (zu bewilligenden Leistungen) in Betracht kommen. Dies hat zur Folge, dass das Feststellungsverfahren an den Nachrang der Sozialhilfe gebunden ist und deshalb nur so weit reicht, wie der jeweilige Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers (LSG Nds., Urteil v. 14.7.2000, L 9 V 70/96). Scheidet ein Erstattungsanspruch beispielsweise aus, weil die nicht gewährte vorrangige Sozialleistung nicht zum nach § 82 Abs. 1 Satz 1 bei der Sozialhilfe einzusetzenden Einkommen gehört, z. B., weil es sich um eine Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) handelt, so scheitert auch das Feststellungsverfahren.
Gleichfalls scheidet eine Feststellung für solche Zeiträume aus, für die ein Erstattungsanspruch aufgrund der Ausschlussfrist des § 111 SGB X nicht besteht (vgl. Armbruster, in: jurisPK-SGB XII, § 95 Rz. 50). Zwar gibt es im Verhältnis des SGB II-Trägers zum SGB XII-Träger kein Vorrang-Nachrang-Verhältnis, jedoch kann sich gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 HS 1 SGB X ein Aufwendungsersatzanspruch (gerichtet z. B. auf Erstattung von Aufwendungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Falle einer stationären Unterbringung) ergeben (vgl. BSG, Urteil v. 5.6.2014, B 4 AS 32/13 R, Rz. 17, juris).
Die Befugnis des Sozialhilfeträgers, die Feststellung von Sozialleistungen zu betreiben, wird nicht durch die Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X au...