Rz. 7
Es liegt im Ermessen des Sozialhilfeträgers, ob er von der Ermächtigung des § 95 Gebrauch macht. Er darf von diesem Recht nur Gebrauch machen, wenn und soweit ihm ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Sozialleistung zuzubilligen ist (BSG, Urteil v. 1.7.1997, 2 RU 32/96; LSG BW, Urteil v. 3.5.2001, L 1 U 2770/99). Das Ermessen ist unter Beachtung fiskalischer Interessen auszuüben (vgl. BSG, Urteil v. 28.11.1973, 4 RJ 159/72, Rz. 13). Ein berechtigtes Interesse wird regelmäßig dann bestehen, wenn das Verfahren mit dem Ziel der Sicherung des Nachrangs der Sozialhilfe geführt wird (BSG, Urteil v. 26.1.2000, B 13 RJ 37/98 R, FEVS 51 S. 481). Das gilt auch, wenn der Sozialhilfeträger das Verfahren nur aus diesem eigenen (Nachrang-)Interesse betreibt, ohne dass dem Leistungsberechtigten hieraus Vorteile erwachsen, beispielsweise, weil er von einem früheren Beginn der Sozialleistung keine eigenen wirtschaftlichen Vorteile hätte; denn auch dann kann der Sozialhilfeträger über das Feststellungsverfahren von der Sozialhilfe entbunden werden. Fehlt es andererseits an der Sicherung des Nachrangs, so ist die Entscheidung des Sozialhilfeträgers, das Feststellungsverfahren dennoch im Interesse des Leistungsberechtigten zu führen, ermessensfehlerhaft mit der Folge, dass er nicht rechtmäßig aus § 95 vorgehen kann. Das "Wahlrecht" des Sozialhilfeträgers (vgl. Rz. 4), ein Feststellungs-, ein Erstattungsverfahren oder beide Verfahren kumulativ durchzuführen, findet seine Grenze in dem Entschließungsermessen dergestalt, dass sich die Entscheidung, ein Feststellungsverfahren einzuleiten, als rechtsmissbräuchlich erweist, wenn die Realisierung des Erstattungsanspruchs bzw. der Abschluss des Erstattungsverfahrens unmittelbar bevorsteht (vgl. Kirchhoff, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 95 Rz. 5). Denn die Durchführung eines Feststellungsverfahrens würde dann lediglich die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition darstellen. Als ermessensfehlerhaft kann sich die Entscheidung, ein Feststellungsverfahren durchzuführen, ferner dann erweisen, wenn eine von dem Sozialhilfeträger betriebene Rentenantragstellung zu Abschlägen wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente führen würde. Insoweit gebietet es die Harmonisierung der Leistungssysteme des SGB II undSGB XII, auf die auf Grundlage des § 13 Abs. 2 SGB II erlassene UnbilligkeitsV zurückzugreifen (vgl. einschränkend Armbruster, in: jurisPK-SGB XII, § 95 Rz. 60 f.; H.Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, § 95 Rz. 20, der einen Ermessensmissbrauch bei Abschlägen uneingeschränkt annimmt; vgl. zur UnbilligkeitsV ferner BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 14 AS 1/15 R; Bülow, jM 2015 S. 462; Spellbrink, Soziale Sicherheit 2004 S. 164).