2.1 Zuständigkeitsregelung ist zwingendes Recht
Rz. 10
Die Regelung der sachlichen Zuständigkeit dient – wie die der örtlichen (vgl. Komm. zu § 98 Rz. 12 ff.) – der Rechtssicherheit und der Kostenverteilung zwischen den Trägern (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 2; Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 97 Rz. 2 f.). Der Bürger muss wissen, an welche Behörde er sich im konkreten Einzelfall wenden kann und muss. Die sachliche Zuständigkeitszuordnung kann daher nicht durch Vereinbarung verändert werden (Schmeller, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 97 Rz. 7; BVerwG, Urteil v. 22.2.1967, V C 144/66; vgl. auch Komm. zu § 98 Rz. 12 ff.).
2.2 Grundsätzlich ist der örtliche Träger zuständig (Abs. 1)
Rz. 11
Die Zuständigkeitsteilung zwischen örtlichem und überörtlichem Träger richtet sich nicht nach jeweils zugeordneten Zuständigkeitskatalogen, sondern ist dergestalt geregelt, dass dem örtlichen Träger die Allzuständigkeit obliegt (Schmeller, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 97 Rz. 3; Treichel, in: LPK-SGB XII, § 97 Rz. 8; Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 7). Nur wenn eine ausdrückliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers (entweder nach Landesrecht oder nach Abs. 3 oder nach Spezialvorschrift wie etwa § 24 Abs. 4, § 46b und §§ 106 ff.) gegeben ist, wird die Allzuständigkeit des örtlichen Trägers durchbrochen. Zweck dieser Regelung ist es, für jeden denkbaren Hilfefall immer einen Träger der Sozialhilfe als zuständigen Träger finden zu können, und zwar wegen der oft erforderlichen Ortsnähe den örtlichen (Treichel, in: LPK-SGB XII, § 97 Rz. 8; Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 4), in besonders genannten Fällen den überörtlichen Träger (vgl. oben Rz. 7).
2.3 Eil- und Zweifelsfälle (Landesrecht)
Rz. 12
Damit die Hilfe in jedem Fall unverzüglich geleistet werden kann, haben die Länder – mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin und Hamburg; in Bremen sind die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven eigenständige örtliche Träger), bei denen örtlicher und überörtlicher Träger zusammenfallen – besondere Zuständigkeitsregelungen für Eil- und Zweifelsfälle in den jeweiligen Landesausführungsgesetzen zum SGB XII zum vorläufigen Eintreten der örtlichen Träger geschaffen (Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 97 Rz. 9a).
Rz. 13
Leistet ein örtlicher Träger im Wege des vorläufigen Tätigwerdens, dann hat er alle Rechte und Pflichten des – im Zeitpunkt der vorläufigen Leistung noch nicht feststehenden – tatsächlich zuständigen Trägers. Dies betrifft die Überleitung von Ansprüchen, die Heranziehung zu Kostenbeiträgen und Aufwendungsersätzen, auch Kostenerstattungsansprüche fallen darunter (BVerwG, Urteil v. 5.8.1986, 5 B 33/86).
Rz. 14
Ein Eilfall liegt vor, wenn die Hilfeleistung keinen Aufschub duldet und der überörtliche Träger – aus welchen Gründen auch immer – nicht sofort tätig werden kann (ZSprSt. v. 6.3.1986, EuG 41 S. 88; v. 7.10.1982, EuG 37 S. 405).
Rz. 15
Ein Zweifelsfall liegt vor, wenn der ermittelte Sachverhalt eine Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit nicht erlaubt, Hilfeleistung aber tunlich ist. Ein Zweifelsfall liegt auch dann vor, wenn sowohl der örtliche Träger als auch der überörtliche Träger jeweils ihre sachliche Zuständigkeit bestreiten .
Rz. 16
Dagegen liegt kein Zweifelsfall vor, wenn der überörtliche Träger zwar seine sachliche Zuständigkeit anerkennt, allerdings die beantragte Hilfe ablehnt. In diesen Fällen kann nicht die Entscheidung des örtlichen Trägers an die Stelle des überörtlichen Trägers treten, und zwar auch dann nicht, wenn er die Entscheidung für falsch hält. Daher kann in diesen Fällen auch kein Kostenerstattungsanspruch entstehen.
2.4 Landesrecht bricht Bundesrecht (Abs. 2)
Rz. 17
Soweit Landesrecht besteht, ist dieses maßgeblich für die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe. Geregelt wird dies in den Ausführungsgesetzen der Länder (Schmeller, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 97 Rz. 5 ff.; Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 7; Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 97 Rz. 12). Dabei haben die Länder einen weiten Ermessensspielraum. Landesrecht soll berücksichtigen, dass für Leistungen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 jeweils möglichst eine einheitliche Zuständigkeit gegeben ist. Es wird also lediglich eine Berücksichtigung dieses Grundsatzes, nicht seine Einhaltung (in typischen Fällen) gefordert (Treichel, in: LPK-SGB XII, § 97 Rz. 11). Es wird gelegentlich unter Hinweis auf die amtliche Begründung (BT-Drs. 15/1514) von einer bloßen gesetzgeberischen "Anregung" gesprochen (Deckers, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 97 Rz. 12; Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 12; Treichel, in: LPK-SGB XII, § 97 Rz. 11; kritisch: Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 97 Rz. 8). Das widerspricht freilich der allgemein anerkannten Funktion einer Soll-Vorschrift, wonach lediglich bei atypischen Fallgestaltungen von dieser abgewichen werden darf. Negiert der Landesgesetzgeber diese Soll-Vorschrift – auch im Sinn einer bloßen "Anregung" – bleibt dies rechtlich folgenlos (Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 97 Rz. 12).
Es ist nicht ersichtlich, dass bestimmte sozialhilferechtliche Aufgaben – mit Ausnahme der Sozialhilfe für De...