2.1 Zweck
Rz. 5
In § 10 werden die rehabilitationsträgerübergreifenden Leitvorstellungen zur Verbesserung der Situation von behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen aufgezeigt. Im Mittelpunkt stehen die Hilfen zur Überwindung von gesundheitlichen Barrieren im beruflichen und gesellschaftlichen Bereich, vor allem im Alltag des Betreffenden. Dabei versuchen die Hilfen, die negativen Folgen von Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen in Bezug auf die Teilhabe zu minimieren bzw. zu beseitigen.
Rz. 6
Um nach Möglichkeit eine umfassende Sicherung des menschenwürdigen Daseins zu garantieren, beschreibt § 10 die unterschiedlichen Zielsetzungen der im SGB IX aufgeführten Regelungen. Aus diesem Grund unterteilt der Gesetzgeber die einzelnen Teilhabeleistungen in
- medizinische Rehabilitationsleistungen (z. B. Versorgung mit Hilfsmitteln wegen der Behinderung, ambulante oder stationäre Therapiemaßnahmen in Rehabilitationseinrichtungen, Frühförderung von behinderten oder von Behinderung bedrohte Kinder),
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Hilfen zur Erhaltung des Arbeitsplatzes, Berufsvorbereitung, Ausbildung und Weiterbildung, berufliche Anpassung),
- Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (z. B. heilpädagogische Förderung, Förderung der Verständigung mit der Umwelt, Förderung der Freizeitgestaltung, Hilfen zur angemessenen Schulbildung, Hilfen zur Beschaffung einer behindertengerechten Wohnung, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten)
(vgl. § 5 SGB IX). Daneben werden noch unterhaltssichernde Leistungen gewährt.
Rz. 7
Zur Unterstützung der in § 10 aufgeführten Persönlichkeitsentfaltung und der Sicherung eines menschenwürdigen Daseins, welches durch die BRK zu einer Sicherung der vollständigen Inklusion in allen Lebensbereichen gipfelt, werden für schwerbehinderte Menschen (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 SGB IX) im 2. Teil des SGB IX (§§ 68 ff.) weitere Regelungen getroffen, die dem Nachteilsausgleich dienen bzw. der Benachteiligung dieses besonderen Personenkreises entgegenwirken (Stichworte u. a. Schwerbehindertenausweis, Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen, besonderer Kündigungsschutz, Schwerbehindertenvertretung, Zusatzurlaub).
Rz. 8
Außerhalb der Vorschriften des § 10 SGB I bzw. des SGB IX sehen der Gesetzgeber bzw. verschiedene Institutionen für schwerbehinderte (oder ihnen gleichgestellte) Menschen (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 SGB IX) weitere Nachteilsausgleiche vor, z. B.
- bei der Einkommens- und Lohnsteuer (z. B. Freibeträge wegen außergewöhnlicher Belastungen oder wegen der Behinderung),
- bei Fahrten mit Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln (Ermäßigung bzw. Befreiung bei der Kraftfahrzeugsteuer, Gebührenermäßigung/Befreiung beim TÜV, Parkerleichterungen usw.),
- beim Wohnen (Wohnberechtigungsschein, Ermäßigung bei der Grundsteuer usw.),
- bei der Kommunikation (z. B. Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).
Diese Nachteilsausgleiche, die abhängig von der Art und/oder dem Grad der Schwerbehinderung sind, wurden bewusst nicht in das SGB aufgenommen, weil sie nicht in die Zuständigkeit der Sozialleistungsträger (§ 12 SGB I) fallen. Näheres zu diesen (zusätzlichen) Nachteilsausgleichen ist den weiterführenden Veröffentlichungen im Internet (vgl. Rz. 32) zu entnehmen.
2.2 Personenkreis
Rz. 9
§ 10 befasst sich ausschließlich mit den zusätzlichen Rechten von behinderten/von Behinderung bedrohter Menschen. Die Definition der Behinderung erfolgt durch § 2 SGB IX und seit März 2009 zusätzlich durch Art. 1 Abs. 2 BRK. Danach sind Menschen behindert, wenn sie langfristige
- körperliche,
- seelische,
- geistige
Beeinträchtigungen oder
haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe in der Gesellschaft hindern können. Während bis zum Inkrafttreten des BRK für die Definition des Begriffs "Behinderung" das Vorliegen von
- Funktionsbeeinträchtigungen (= Störung der Fähigkeiten der betroffenen Person zur Ausführung zweckgebundener Handlungen; Funktionsbeeinträchtigung oder -mängel aufgrund von Schädigungen, die typische Alltagssituationen behindern oder unmöglich machen) bzw.
- Partizipationsstörungen (= Einschränkung bei der Teilhabe an öffentlichen, gesellschaftlichen, kulturellen Aufgaben, Angelegenheiten und Errungenschaften)
unter Berücksichtigung von umweltbezogenen und personenbezogenen Kontextfaktoren (gesamter Lebenshintergrund wie Religion, Einstellungen, Wohnverhältnisse, allein oder zusammen mit anderen Familienangehörigen lebend, Aufzug im Haus etc.) maßgeblich waren, erweitert Art. 1 Abs. 2 BRK den Personenkreis um den Teil der gleichberechtigten Teilhabe. Behindert ist jetzt derjenige, der nicht oder nicht mehr gleichberechtigt mit anderen uneingeschränkt und wirksam am beruflichen oder sonstigen gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Ziel ist die möglichst
- uneingeschränkte Partizipation (= aktives Teilnehmen an allen gewünschten Lebenssituationen wie nicht behinderte Menschen) bzw.
- vollständige Inklusion (...