Rz. 16

Die Teilhabeleistungen (§ 5) verknüpfen das "soziale Recht" behinderter Menschen auf Sozialleistungen entsprechend § 10 mit den Ansprüchen, die im SGB IX sowie in den für die einzelnen Rehabilitationsträger geltenden besonderen Vorschriften (z. B. §§ 40 ff. SGB V) geregelt sind. Die Teilhabeziele (§ 4) machen deutlich, dass die Einzelregelungen zur Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen ein gewachsenes und in sich sehr differenziertes, jedoch – auch bei unterschiedlichen Zuständigkeiten und Leistungsvoraussetzungen – in der Sache und insbesondere auch für betroffene Menschen durchgängiges System zur Verwirklichung der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 genannten sozialpolitischen Ziele bilden sollen. Wie bei § 1 ist auch bei den hier genannten Zielen zu beachten, dass die Familie oft der wichtigste Bezugsrahmen und Lebensraum der Betroffenen ist (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 99).

 

Rz. 17

Die Teilhabeleistungen zielen in erster Linie nicht auf die Wiederherstellung der Gesundheit (erfolgt über die Krankenbehandlung; vgl. § 27 ff. SGB V), sondern auf die Beseitigung der Barrieren, die sich als Folge der Behinderung zeigen (z. B. soziale Isolation, Unmöglichkeit der Eigenversorgung und der Verrichtung der alltäglichen Bedürfnisse, Arbeitsplatzgefährdung).

Es gilt der Grundsatz "Rehabilitation vor Rente, Pflege oder anderen Sozialleistungen" (vgl. § 8 SGB IX), sofern der Rehabilitations-/Teilhabeerfolg aufgrund der eingeschränkten gesundheitlichen Funktionsstörungen und Beeinträchtigungen möglich ist. Dabei können die Rehabilitations-/Teil­habeleistungen bereits dann beansprucht werden, wenn ein Teilerfolg nicht ausgeschlossen ist.

Konkret verfolgen die Teilhabeleistungen folgende Ziele:

2.3.2.1 Minderung/Verhinderung einer Behinderung (Nr. 1)

 

Rz. 18

Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Partizipationsstörungen/Barrieren abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Nr. 1 beschreibt deshalb die Ziele der Hilfen, die unmittelbar an den gesundheitlichen Partizipationsstörungen ansetzen und so die Folgen der Behinderung mindern bzw. beseitigen sollen.

 

Rz. 19

Dieses Ziel kann über medizinische Rehabilitationsleistungen (vgl. § 26 ff. SGB IX) erreicht werden. Ansprüche ergeben sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 40 ff. SGB V, §§ 9 Abs. 1 Satz 1 und § 15 SGB VI, §§ 26 ff. SGB VII, §§ 53a, 40 SGB VIII, § 53 Abs. 3 und § 54 Abs. 1 SGB XII sowie §§ 10 ff. BVG.

§ 10 Nr. 1 SGB I ist mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX identisch. Deshalb wird hinsichtlich der weiteren Kommentierung auch auf die Ausführungen zu § 4 SGB IX verwiesen.

2.3.2.2 Beeinflussung der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit (Nr. 2)

 

Rz. 20

Eine Behinderung beeinträchtigt nicht selten die Erwerbsfähigkeit und kann außerdem bei schweren Funktions-/Aktivitätsstörungen Pflegebedürftigkeit i. S. d. §§ 14, 15 SGB XI verursachen. Auch hier setzen die Ziele von Teilhabeleistungen an: Die Leistungen zur Teilhabe sollen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit vermeiden, überwinden, mindern oder eine Verschlimmerung verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen vermeiden oder laufende ­Sozialleistungen mindern. Ziel ist die weitgehende Selbständigkeit und Unabhängigkeit in Bezug auf die Sicherung des Erwerbseinkommens und der eigenen Lebensführung und die Vermeidung von Erwerbsminderungsrenten.

 

Rz. 21

Die Leistungen sind vielfältig und individuell. Die Ziele können durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation (§§ 26 ff. SGB IX) also auch durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsplatz (§§ 33 ff. SGB IX) erreicht werden. Eine wichtige Funktion nimmt hier in der Praxis auch die Versorgung mit Hilfsmitteln und technischen Hilfen (§ 31, § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 und 5 SGB IX) ein.

 

Rz. 22

Der Gesetzgeber definiert als Ziel der Teilhabeleistungen ausdrücklich die Minderung etc. der Pflegebedürftigkeit. Dieses wundert, weil die Pflegekassen nicht als Rehabilitationsträger genannt werden (vgl. § 6 SGB IX). Zu beachten ist aber, dass Rehabilitation nicht Aufgabe der Pflegekassen ist, sondern der Krankenkassen und der sonstigen unter § 6 Abs. 1 Nr. 3 bis 7 SGB IX aufgeführten Rehabilitationsträger.

Wegen der wörtlichen Übereinstimmung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX wird auch auf die Kommentierung zu § 4 SGB IX verwiesen.

2.3.2.3 Schaffung/Sicherung des Arbeitsplatzes (Nr. 3)

 

Rz. 23

Während § 10 Abs. 2 u. a. die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im medizinischen Sinn zum Ziele hat, setzt das Teilhabeziel nach § 10 Nr. 3 auf die Sicherung des Arbeitsplatzes bzw. unterstützt den Rehabilitanden zur Erlangung eines angemessenen – d. h. den Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden – Arbeitsplatzes. Die Sicherung/Schaffung des Arbeitsplatzes ist ein eigenes Ziel für Menschen, deren Erwerbsfähigkeit durch vornehmlich medizinische Rehabilitationsleistungen (vgl. §§ 26 ff. SGB IX) nicht in einem ausreichenden Maße hergestellt/wiederhergestellt werden kann. In Betracht kommen z. B. Leistungen nach den §§ 97 bis 115 SGB III, § 16 SGB VI, § 35 SGB VII, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB XII sowie §...

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