Rz. 6
§ 29 gibt als Einweisungsvorschrift einen Überblick über die Leistungen wegen einer drohenden oder eingetretenen Behinderung. Bei den Teilhabeleistungen unterscheidet die Vorschrift zwischen 4 verschiedenen Leistungsgruppen, die alle eine spezielle Zielsetzung haben, und zwar zwischen
- medizinischen Rehabilitationsleistungen zur (Wieder-)Herstellung der biologischen Gesundheit bzw. zur Minderung der Folgen der eingetretenen bzw. drohenden Behinderung. Eine wesentliche Zielsetzung der Rehabilitation besteht darin, die Betroffenen zu befähigen, mit ihrer Krankheit adäquat und selbstbestimmt umzugehen und trotz Einschränkungen vor allem ihre Funktionen in der Schule bzw. im Beruf wahrzunehmen sowie ihre Rollen in Familie und Gesellschaft so weit wie möglich auszuüben. Außerdem soll bei schweren Behinderungen der Eintritt von Pflegebedürftigkeit vermieden bzw. der Grad der Pflegebedürftigkeit minimiert werden. Im Vordergrund der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation stehen medizinische, multimodale und ganzheitlich ausgerichtete Therapien und Maßnahmen, die auf das Erlernen bestimmter (Ersatz-)Fähigkeiten (z. B. Erlernen der Mobilität trotz Lähmungserscheinungen) bzw. auf eine Verhaltensänderung (z. B. bei Entwöhnung bei Abhängigkeitserkrankungen) ausgerichtet sind. Weitere Einzelheiten: vgl. Rz. 8 ff.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; diese Leistungen erstrecken sich
- auf die Erhaltung bzw. (Wieder-)Herstellung der Erwerbsfähigkeit bzw.
- auf die Erhaltung des durch die Behinderung (bzw. durch eine drohende Behinderung) gefährdeten Arbeitsplatzes und/oder
- auf eine möglichst qualifizierte berufliche Bildung entsprechend der verbliebenen Leistungsfähigkeit.
Die Leistungen können sowohl dem Betroffenen als auch dessen Arbeitgeber zugutekommen.
Sie sind gegenüber den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nachrangig. Das bedeutet, dass z. B. bei berufsbedingt notwendigen digitalen Hörgeräten erst der Anspruch im Rahmen der medizinischen Rehabilitation zu erfüllen ist und ein verbleibender Restbetrag im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gezahlt werden kann.
Näheres vgl. Rz. 13 ff.
Leistungen zur Bildung erhalten Menschen mit Behinderungen, um Bildungsangebote der öffentlichen Schulen und Hochschulen etc. gleichberechtigt wahrnehmen zu können. Unter dem Begriff "Bildungsangebote" versteht man Angebote der frühkindlichen und kindlichen Bildung sowie der Erwachsenenbildung. Als Hilfen werden insbesondere Leistungen, die zur Aufsuchung des Lernortes oder zur Teilnahme an der Vermittlung von Bildungsinhalten notwendig sind, gewährt. Hierzu zählen behindertengerechte Lernmaterialien und Hilfen (z. B. kommunikative, technische und andere Hilfsmittel), Fahrdienste, Assistenzen.
Die Leistungen sind gegenüber den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nachrangig.
Näheres vgl. Rz. 14.
Leistungen zur Sozialen Teilhabe – bis 31.12.2017 auch als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bezeichnet – sollen Menschen mit Behinderung die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft/Gemeinschaft ermöglichen oder sichern. Die Leistungen zielen darauf ab, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen (vgl. auch § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB IX).
Zu den Leistungen zählen insbesondere
- heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind,
- Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (Kommunikationshilfen),
- Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung einer Wohnung, die den Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen entspricht,
- Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten und
- Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Die Leistungen zur Sozialen Teilhabe sind gegenüber den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nachrangig.
Näheres vgl. Rz. 15 ff.
Rz. 6a
Die gerade beschriebenen Leistungsgruppen werden auch als die 4 Säulen der Teilhabeleistungen bezeichnet.
Der Teilhabebedarf ist immer einer dieser 4 Säulen schwerpunktmäßig zuzuordnen. Dieser Schwerpunkt kann abhängig von den bereits erreichten Rehabilitationszielen und dem Gesundheitszustand variieren. Um zu jedem Zeitpunkt die optimale Rehabilitation/Teilhabeleistung zu gewährleisten, bestimmt § 19 Abs. 3 SGB IX, dass die Leistungen entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation anzupassen sind. Sie sind so auszurichten, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles eine umfassende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer ermöglicht wird. Außerdem bestimmt § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, dass die Rehabilitationsträger die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Q...