2.1 Regelungsinhalt (Abs. 1)

2.1.1 Ausgangspunkt: Familienrechtliches Rechtsverhältnis

 

Rz. 3

Im SGB und den nach § 68 als besondere Bücher des SGB geltenden Gesetzen knüpfen eine Reihe von Vorschriften an familienrechtliche Beziehungen oder Begriffe (Ehegatte, Kind, Annahme als Kind, Adoptionskinder, Scheidung etc.) oder daraus resultierende Ansprüche (Familienunterhalt, Unterhaltsanspruch etc.) an und machen diese zur Voraussetzung von Rechten und Pflichten.

 

Rz. 4

Soweit das SGB solche familienrechtlichen Begriffe verwendet und keine eigenständigen materiell-rechtlichen Definitionen enthält, wird dem Grunde nach von den Rechtsbegriffen i. S. d. BGB ausgegangen. Dabei werden den Regelungen stillschweigend auch das Verständnis der nach deutschem Familienrecht möglichen Rechtsbeziehungen zugrunde gelegt und zumeist überhaupt auch nur Regelungen für danach typische und mögliche Fallgestaltungen getroffen.

 

Rz. 5

Die familienrechtlichen Begriffe knüpfen zumeist an natürliche Verhältnisse (i. S. v. Tatsachen) an. Die Begriffe selbst sind jedoch auch (zumeist zivilrechtlich) bestimmt, so dass auch insbesondere das Familienrecht die Begriffe bestimmt. Dies kann z. B. bei Leihmutterschaft oder Minderjährigen-Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare Probleme aufwerfen (vgl. Eichenhofer, SGb 2016 S. 184). Vgl. auch Sanders, NJW 2017 S. 925, zur Frage des Vorliegens einer Familie nach europäischem Menschenrecht.

 

Rz. 6

Voraussetzung für die Anwendung des § 34 ist, dass bei der Anwendung des SGB die entscheidungsrelevante sozialrechtliche Vorschrift tatbestandlich an familienrechtliche Beziehungen oder Begriffe (Ehegatte, Kind, Annahme als Kind, Adoptionskind, Scheidung etc.) anknüpft (1. Prüfungsschritt). Nicht an familienrechtliche Beziehungen wird angeknüpft, wenn in einer Vorschrift lediglich an familienähnliche Verhältnisse (nichteheliche Lebensgemeinschaft, Bedarfsgemeinschaft etc.) angeknüpft wird; denn diese werden durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmt.

2.1.2 Anknüpfungspunkt: Ausländisches Recht

 

Rz. 7

Von den Vorschriften des SGB (vgl. § 30 Abs. 1) und insbesondere auch hinsichtlich der sozialen Rechte nach §§ 18 bis 29 und den damit in Bezug genommenen Gesetzen werden auch Personen erfasst, deren familienrechtliche Beziehungen sich nicht nach dem deutschen Recht bestimmen, sondern gemäß internationalem Privatrecht (Art. 3 EGBGB) nach dem Recht eines anderen Staates richten (Art. 13 ff. EGBGB). Soweit es für Rechte und Pflichten nach dem SGB auf familienrechtliche Beziehungen ankommt, sind daher grundsätzlich auch die Rechtsbegriffe und Rechte zugrunde zu legen, die durch das Recht des anderen Staates bestimmt werden.

 

Rz. 8

Für die Anwendung des § 34 ist daher die Feststellung erforderlich, dass für die familienrechtlichen Beziehungen ausländisches Familienrecht anzuwenden und zugrunde zu legen ist und keine vorrangigen zwischenstaatlichen Vereinbarungen (Art. 3 Abs. 2 EGBGB) bestehen (2. Prüfungsschritt).

2.1.3 Einschränkung: Inländischem Recht vergleichbar

 

Rz. 9

An die sich nach ausländischem Recht richtenden familienrechtlichen Beziehungen ist zwar grundsätzlich anzuknüpfen, für die Anwendung und Übertragung auf die Vorschriften des SGB ist aber zusätzliche Voraussetzung, dass dieses Rechtsverhältnis einem deutschen Rechtsverhältnis entspricht (3. Prüfungsschritt). Die Vorschrift bezweckt daher die Begrenzung sozialrechtlicher Ansprüche trotz Anwendung und Zugrundelegung internationalen Privatrechts und deren inländischer Anerkennung.

 

Rz. 10

Die Vergleichbarkeit muss sich nicht nur auf das ausländische familienrechtliche Rechtsverhältnis beziehen, sondern dies muss auch (zusätzlich) dem sozialrechtlichen vergleichbar sein (BT-Drs. 10/5632 S. 32). Dabei ist auf den Zweck der Anknüpfung von i. d. R. Leistungsansprüchen an das familienrechtliche Verhältnis abzustellen (so auch Weselski, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 34 Rz. 21, Stand: 1.10.2011; Eichenhofer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, SGB I, § 34 Rz. 4).

 

Rz. 11

Die Mehrehe würde bei der Vergleichbarkeit mit deutschem Recht, da dieses nur die monogame Ehe anerkennt, scheitern. Da sich die Regelung des Abs. 2 auch nur auf das Recht der Hinterbliebenenrenten beschränkt, könnte zweifelhaft sein, ob die polygame Ehe auch für andere Rechtsbereiche (z. B. in der Krankenversicherung für die Familienversicherung, im Kindergeld-, Wohngeld- oder Sozialhilferecht) als vergleichbar anzuerkennen ist. Da aber Abs. 2 die Anerkennung der polygamen Ehe dem Grunde nach voraussetzt und nur die abschließenden Rechtsfolgen im Todesfall regelt, wird man von einer grundsätzlichen Anerkennung ausgehen müssen (Fastabend, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 34 Rz. 16, Stand: X/203; Eichenhofer, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, SGB I, § 34 Rz. 8; a. A. offenbar Weselski, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 34 Rz. 33, Stand: 1.10.2011). Wenn trotz der bekannten Problematik der Mehrehe in anderen Rechtsgebieten keine Regelung getroffen wurden, welche klar bestimmen, welche von mehreren Ehefrauen dann als solche nach dem SGB anzusehen ist, dann spricht dies jedenfalls dafür, dass auch jede der Ehefrauen als solche zu behandeln ist (zum Ausschluss der Witwe...

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