Rz. 1a
Die Vorschrift regelt eine bis dahin im Sozialrecht nicht bekannt gewesene allgemeine Verzinsungspflicht des Leistungsträgers bei Geldleistungen. Die Vorschrift war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Sie war damit begründet worden (BT-Drs. 7/868 S. 30), dass die Vorschrift die unterschiedlichen Regelungen und Grundsätze zur Verzinsung von Sozialleistungen vereinheitlicht und erweitert. Soziale Geldleistungen bildeten i. d. R. die Lebensgrundlage des Leistungsberechtigten; würden sie verspätet gezahlt, seien oft Kreditaufnahmen, die Auflösung von Ersparnissen oder die Einschränkung der Lebensführung notwendig. Da auf Sozialleistungen beim Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestehe, sollten die Nachteile des Leistungsberechtigten durch Verzinsung ausgeglichen werden, zumal häufig Vorleistungen erbracht wurden, die – soweit sie in Beiträgen bestehen – bereits der Verzinsung unterliegen. Wegen der besonderen Aufgabe und Funktion von Sozialleistungen habe die Regelung der Verzinsung im Sozialgesetzbuch keine präjudizielle Wirkung für das Steuerrecht oder andere Bereiche. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und zur Vermeidung von Regressansprüchen werde die Verzinsung nicht von einem Verschulden, sondern ausschließlich vom Zeitablauf abhängig gemacht. Dabei werde von Erfahrungs- und Durchschnittsfristen ausgegangen, d. h. bewusst in Kauf genommen, dass manche Fälle so gelagert seien, dass auch bei schnellster Bearbeitung die Fristen überschritten werden können; ein Verschulden des Leistungsträgers werde für den Fall der Verzinsung also nicht unterstellt. Für Leistungen, die nach zwischenstaatlichen Rechtsvorschriften berechnet werden, stelle Abs. 2 klar, dass es für die Berechnung der Sechsmonatsfrist auf den Eingang des Leistungsantrags beim zuständigen deutschen Leistungsträger ankomme. Im Übrigen beginne die Frist nach Abs. 2 erst dann zu laufen, wenn dem Leistungsträger ein vollständiger Antrag vorliegt, d. h., wenn der Antrag alle Tatsachen enthält, die der Antragsteller zur Bearbeitung seines Antrags angeben muss; dadurch solle insbesondere sichergestellt werden, dass vorzeitig gestellte unvollständige Anträge die Zinspflicht nicht begründen. Werde darüber hinaus die 6-Monats-Frist überschritten, weil der Leistungsberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme, sei der Leistungsträger befugt, die Zahlung von Zinsen abzulehnen (§ 66). Dem Streben nach größtmöglicher Verwaltungsvereinfachung diene auch der feste Zinssatz von 4 %, dessen Höhe sich an die Regelung in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB anlehne, ferner die Beschränkung der Verzinsung auf volle Kalendermonate und die Regelung des Abs. 3. Werden durch Gesetz neue Leistungsansprüche begründet und sei damit zu rechnen, dass die Durchführung des Gesetzes längere Zeit in Anspruch nehme, wird es dem Gesetzgeber überlassen zu bestimmen, dass die Verzinsung zu einem späteren als dem in § 44 genannten Termin einsetzt.
Der Bundesrat (BT-Drs. 7/868 S. 42) hatte sich für eine Streichung der Vorschrift ausgesprochen und geltend gemacht, dass die Begründung, wonach es sich um eine notwendige Folgerung aus dem Grundsatz handelt, dass auf Sozialleistungen ein Anspruch besteht, kein ausreichender Grund für die Einführung der Verzinsung sei, weil auf Sozialleistungen schon seit Jahrzehnten ein Anspruch besteht, ohne dass dies vom Gesetzgeber bisher als ausreichender Anlass zur Einführung einer Verzinsung angesehen worden sei. Aus demselben Grund sei auch die Tatsache, dass die Zahlungspflichten des Einzelnen i. d. R. einer Verzinsungspflicht unterliegen, kein genügender Anlass zur Einführung der Verzinsung der Geldansprüche. Noch schwerwiegender sei die von der Vorschrift ausgehende Gefahr einer Ausdehnung des Verzinsungsgrundsatzes auf alle übrigen Bereiche staatlicher Leistungen. Diese Gefahr sei sehr akut, da in der Gesetzesbegründung die Tatsache, dass auf die Leistungen ein Anspruch besteht, bereits als ausreichender Grund für die Einführung der Verzinsung bezeichnet werde. Die Einführung der Verzinsung in den übrigen öffentlichen Bereichen würde den Bestrebungen hinsichtlich einer Vereinfachung der Verwaltung entgegenwirken. Hinzu komme, dass die Verzinsung in dem großen Bereich der Steuerverwaltung nach wiederholten Untersuchungen und nach Feststellungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Vorlage der Abgabeordnung 1974 noch auf viele Jahre hinaus verwaltungsmäßig schlechterdings nicht zu bewältigen sei.
Diesem Vorschlag hat die Bundesregierung (BT-Drs. 7/868 S. 46) unter Hinweis auf die Begründung widersprochen und diese dahingehend ergänzt, dass wegen der besonderen Aufgabe und Funktion von Sozialleistungen die Einführung der Verzinsung im Sozialgesetzbuch keine präjudizielle Wirkung für das Steuerrecht oder andere Bereiche habe. Ohne die Regelung bliebe die Frage, ob und in welchem Umfang rückständige Sozialleistungen zu verzinsen sind, weiterhin streitig. Im Übrigen sei die Verzinsung so geregelt, dass sie ni...