2.1 Erfüllung von Geldleistungen (Abs. 1)
Rz. 6
Die Vorschrift sah und sieht die kostenfreie Überweisung oder Übermittlung von Geldleistungen auf ein Konto des Empfängers vor. Sie ist auf einmalige oder laufende Geldleistungen als Sozialleistungsansprüche nach § 11 beschränkt (so auch Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § 47 Rz. 1; Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 47 Rz. 11, Stand: 3.7.2020). Soweit die Überschrift der Vorschrift noch auf die "Auszahlung" von Geldleistungen abstellt, also die Übereignung von Geld, wie dies das Gesetz über Zahlungen aus öffentlichen Kassen v. 21.12.1938 (RGBl. I S. 1899) bis 31.12.1986 als Grundsatz vorsah, ist dies durch den Inhalt der Vorschrift nicht mehr gedeckt, sondern kommt allenfalls in besonderen Fällen wie bei der Barauszahlung in den Geschäftsräumen des Leistungsträgers, die trotz § 47 noch möglich sind (vgl. BT-Drs. 7/868 S. 31), oder bei gesundheitlichen Problemen des Berechtigten an dessen Wohnung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.4.2013, L 11 R 190/12) in Betracht.
Rz. 7
§ 47 enthält als eine der wenigen Vorschriften eine Regelung, die sich mit der Frage der Art und Weise der Erfüllung von Sozialleistungsansprüchen in Geld befasst. Dies wird allerdings im Wortlaut der Vorschrift selbst nicht deutlich gemacht. In § 40 Abs. 1 wird das Entstehen der Leistungsansprüche allein vom Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht. § 45 regelt die Verjährung der Ansprüche (vgl. Komm. dort). Das SGB selbst enthält jedoch keine eigenständigen Regelungen für die Erfüllung von Geld- und insbesondere auch nicht für Sachleistungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis und demzufolge auch keine Regelung über das Erlöschen des konkreten Leistungsanspruchs. (Vgl. dagegen § 47 Abgabenordnung zum Erlöschen von i. d. R. Geldleistungsansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung.)
Rz. 8
Der (vermeintliche) Mangel an eigenständigen Regelungen zur Erfüllung sozialrechtlicher Ansprüche ist darauf zurückzuführen, dass dafür die Geltung zivilrechtlicher Regelungen bei der Fassung aller Vorschriften des Dritten Abschnitts vorausgesetzt wurde. Dazu ist in BT-Drs. 7/868 S. 22 ausgeführt: "Die Vorschriften des Dritten Abschnitts gehen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des bürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden sind, auch in das Sozialrecht ausstrahlen. Um die Einheit der Gesamtrechtsordnung zu wahren und die einheitliche Weiterentwicklung dieser Grundsätze im gesamten Verwaltungsrecht nicht zu gefährden, wird ihre Geltung im Gegenstandsbereich des Sozialgesetzbuchs bei der Fassung aller Vorschriften vorausgesetzt. Der Dritte Abschnitt des Allgemeinen Teils trifft hierzu Regelungen nur, soweit wegen der besonderen Verhältnisse des Sozialrechts Klarstellungen und Abweichungen erforderlich sind oder der Sachzusammenhang es zweckmäßig erscheinen lässt."
Die grundsätzliche Geltung der Vorschriften des BGB für die Leistungserfüllung ist daher vorausgesetzt. Nur soweit wegen der besonderen Verhältnisse des Sozialrechts vom Zivilrecht abweichende oder dieses modifizierende Regelungen getroffen werden und werden sollen (z. B. hinsichtlich des Übergangs von Geldleistungsansprüchen auf den Sonderrechtsnachfolger anstelle des Erben nach Zivilrecht), werden daher im SGB I eigene und zum Teil vom BGB abweichende Regelungen getroffen (BT-Drs. 7/868 S. 22). Soweit solche ausdrücklichen Sonderregelungen gegenüber dem BGB bestehen, kann daher nicht auf die allgemeinen Regelungen des Zivilrechts zurückgegriffen werden. Daher ist auch verständlich, dass das SGB I das Leistungserbringungsrecht im Verhältnis zu den Leistungsberechtigten nicht umfassend regelt, wie Mrozynski (SGb 2016 S. 69) weitgehend zutreffend, kritisiert.
Rz. 9
Nur vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass auch in den §§ 48 ff. keine ausdrücklichen Aussagen zu den (Rechts)Folgen der Zahlungen an Dritte (aufgrund von Abzweigung, Abtretung, Pfändung etc.) oder die Aufrechnung/Verrechnung als wirksame Erfüllung der an sich dem Sozialleistungsberechtigten zustehenden Geldleistungsansprüche vorgesehen sind. Für die Erfüllung ist daher (soweit keine Modifikation im Dritten Abschnitt vorgenommen wird) unmittelbar auf zivilrechtliche Regelungen abzustellen, insbesondere also § 362 BGB, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn die Leistung an den Gläubiger tatsächlich bewirkt ist; das gilt grundsätzlich auch für das sozialrechtliche Schuldverhältnis (a. A. insoweit Krahmer/Markovic´, in: Kramer/Trenk-Hinterberger, LPK SGB I, 4. Aufl., § 47 Rz. 6; Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 47 Rz. 34, Stand: 3.7.2020, die von einer analogen Anwendung des BGB ausgehen). Dabei ist dann auch zu beachten, ob dem Sozialleistungsberechtigten selbst noch der festgestellte Geldleistungsanspruch zusteht oder ob dieser gan...