Rz. 1a
Die Vorschrift gehört zu den Vorschriften, die die Erfüllung der Sozialleistungsansprüche in Geld betreffen und bei denen abweichend von § 47 die Erfüllung auch durch Zahlung an Dritte eintritt. Die Regelung über die Auszahlung von Sozialleistungsansprüchen an Ehegatten und Kinder bei Verletzung der Unterhaltspflicht (Abzweigung) soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/868 S. 31) der Tatsache Rechnung tragen, dass Sozialleistungen nicht nur dem unmittelbar Berechtigten zugutekommen sollen, sondern auch deren Angehörigen zum Lebensunterhalt dienen oder zweckbestimmt für diese gezahlt werden.
Rz. 1b
Die Ergänzung der Abzweigungsbefugnis zugunsten unterhaltsberechtigter Lebenspartner ab dem 26.11.2015 ist damit begründet worden (BT-Drs. 18/5901 S. 26), dass ein besonderes Näheverhältnis, das den Eingriff in das Recht des Leistungsberechtigten auf Auszahlung der Leistung an sich selbst rechtfertigt, nicht nur zwischen Ehegatten, sondern auch zwischen Lebenspartnern besteht. Wie dem unterhaltsberechtigten Ehegatten solle daher auch dem unterhaltsberechtigten Lebenspartner der Zugriff auf die Sozialleistung eröffnet werden.
Rz. 2
Dem Leistungsträger wird mit § 48 Abs. 1 die Befugnis eingeräumt, von der zum Lebensunterhalt dienenden Geldleistung, die nach § 47 an sich dem Sozialleistungsberechtigten als Anspruch in voller Höhe allein zusteht, einen Teil abzuzweigen und gerade auch außerhalb eines prozessualen und vollstreckungsrechtlichen Verfahrens (Unterhaltsklagen und Pfändung von Sozialleistungsansprüchen nach § 54; vgl. dazu Bigge, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, SGB I, § 48 Rz. 4) mit befreiender Wirkung an Dritte zu zahlen (so auch Baier, in: Krauskopf, SozKV, SGB I, § 48 Rz. 2, Stand: Oktober 2014). Der Leistungsträger verfügt mit der Abzweigung über den Anspruch des Sozialleistungsberechtigten an dessen Stelle und zu dessen Lasten. Durch die Regelung wird der Abzweigungsberechtigte auch nicht teilweise Inhaber des Sozialleistungsanspruchs i. S. d. § 39, insbesondere nicht Inhaber des Stammrechts (vgl. BSG, Urteil v. 28.6.1991, 11 RAr 47/90, SozR 3-1200 § 48 Nr. 3; a. A. offenbar BSG, Urteil v. 8.7.2009, B 11 AL 30/08 R, BSGE 104 S. 65, das dem Abzweigungsbegünstigten einen einklagbaren Anspruch auf Abzweigung nach pflichtgemäßem Ermessen einräumt).
Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 regelt dabei die Abzweigung bei gesetzlicher Unterhaltspflicht, während Abs. 2 diese gesetzliche Unterhaltspflicht für Kinder nicht fordert. Grund und Anlass der Abzweigungsbefugnis ist dabei die Nichterfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten und die Sicherung des Unterhalts aus Geldleistungsansprüchen des Unterhaltspflichtigen, nicht jedoch die Ersetzung und Regelung gesetzlicher Unterhaltsansprüche durch den Sozialleistungsträger.
Rz. 3a
Bei der Abzweigung soll es sich um eine Ermessensentscheidung handeln (so Gesetzesbegründung und die Rechtsprechung sowie für die vergleichbare Regelung in § 74 EStG). Diese Beurteilung wird allerdings dem Inhalt der Regelung nicht gerecht, auch soweit das "kann" auf Ermessen hindeutet. Da es sich bei der Abzweigung um eine Abweichung von dem an sich dem Berechtigten zustehenden Leistungsanspruch handelt, bedeutet die Auszahlung an Dritte auch, dass damit in Abweichung von § 47 der Zahlungsanspruch des Berechtigten nicht zu seinen Gunsten durch Überweisung des vollen Geldleistungsanspruchs erfüllt wird. Daher handelt es sich allein um ein Handlungsermessen, also die Entscheidung, dass nicht nach § 47 allein an den Sozialleistungsberechtigten erfüllt wird, sondern durch Überweisung auch an Dritte. Daher beinhaltet das "Kann" zugleich und primär sogar ein Ermächtigungs-Kann für eine abweichende Art der Erfüllung. Zugleich bedeutet dies aber auch, dass die Zahlung an Dritte gegenüber dem Berechtigten Erfüllungswirkung hat und haben soll.
Rz. 3b
Das SGB selbst enthält insgesamt keine eigenständigen Regelungen für die Erfüllung von Geld- oder Sachleistungsansprüchen. Dem entsprechend fehlen in den sozialrechtlichen Vorschriften, auch in den anderen Fällen der Erbringung der Sozialleistung an Dritte (vgl. §§ 49 ff.), Bestimmungen über die Erfüllungswirkung dieser Zahlungen im Hinblick auf einen festgestellten Sozialleistungsanspruch in Geld. In soweit kann und muss auf die Grundsätze des BGB, insbesondere § 362 BGB zurückgegriffen werden, wonach das Schuldverhältnis erlischt, wenn die Leistung an den Gläubiger tatsächlich bewirkt ist. Die Ausführung der Abzweigung führt daher dazu, dass durch die Zahlung an Dritte der Sozialleistungsanspruch des an sich Berechtigten erfüllt wird und damit erlischt (so auch Siefert, in: KassKomm., SGB I, § 48 Rz. 3b, Stand: März 2016, allerdings nur für den Fall der Zustimmung des Leistungsberechtigten). Die Abzweigungsentscheidung und die Durchführung der Abzweigung führt jedoch nicht dazu, dass der Abzweigungsberechtigte materiellrechtlich zum Sozialleistungsberechtigten wird (so auch Mrozynski, SGB I, 5. Aufl., § 48 Rz. 11; Siefert, a. a. O., § 48 Rz. 28a). Daher ka...