Rz. 56

Die Frage nach dem Rechtscharakter der Ausführung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist umstritten. In der insbesondere älteren Rechtsprechung des BSG wird dabei danach differenziert, ob bei der Pfändung eine Entscheidung über dem Umfang und die Höhe des gepfändeten Betrags erforderlich ist, worüber dann durch Verwaltungsakt zu entscheiden sein soll, wogegen die einfache Ausführung des Beschlusses keinen Verwaltungsakt erfordert. Diese Differenzierung überzeugt nicht. Da der Sozialversicherungsträger an den Inhalt eines Pfändungsbeschlusses genauso gebunden ist, wie jeder andere Drittschuldner, stellt die Ausführung des Pfändungsbeschlusses keine eigene Entscheidung und Regelung in Form eines Verwaltungsakts dar, gegen den Widerspruch und anschließend Anfechtungsklage zulässig wäre (so z. B. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.8.1993, L 13 J 838/92LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 29.1.2004, L 2 KN 108/01 LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 30.6.2006, L 10 B 406/06; zur Abtretung vgl. BSG, Urteil v. 27.11.1991, 4 RA 80/90; Timme/Weingart, in: Krahmer/Trenk-Hinterberger, LPK SGB I, 4.Aufl., § 54 Rz. 19; Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § 54 Rz. 46). Es handelt sich bei der Ausführung des Überweisungsbeschlusses durch Zahlung an den Gläubiger um eine in Abweichung von § 47 vorzunehmende Erfüllungshandlung, die als solches schlichtes Verwaltungshandeln ist. Aus dem mit der Pfändung verbundenen Verbot der Zahlung an den Sozialleistungsempfänger (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO) folgt bereits, dass der Sozialleistungsträger darüber nicht mehr selbst in der Form eines Verwaltungsakts gegenüber dem Sozialleistungsberechtigten entscheiden darf. Wenn die ausgesprochene Pfändung in einem Bewilligungsbescheid (z. B. bei der erstmaligen Leistungsgewährung, der Wiedergewährung oder einer Leistungsanpassung) dergestalt berücksichtigt ist, dass der Auszahlungsbetrag der bewilligten Leistung wegen des gepfändeten Betrages geringer beziffert wird, als der Sozialleistungsanspruch dem Grunde nach, der sich rechnerisch ergibt, beinhaltet dies keine durch den Leistungsträger aus eigenem Recht getroffene hoheitliche Regelung, die als Verfügungssatz des Verwaltungsakts anzusehen ist, sondern um die rechnerische Darstellung der Folgen der Pfändung für den Auszahlungsbetrag. Dies gilt auch in den Fällen einer Pfändung künftiger Sozialleistungen in Geld. Gegen den nach der Pfändung ergehenden Bewilligungs- oder Änderungsbescheid über die Sozialleistung an sich bleibt der Leistungsberechtigte allerdings anfechtungsbefugt, weil die Pfändung das Stammrecht nicht umfasst und dieses daher bei dem Sozialleistungsberechtigten verbleibt.

 

Rz. 57

Eine Entscheidung über die Pfändung durch Verwaltungsakt kommt dem Pfändungsgläubiger gegenüber schon deswegen nicht in Betracht, weil es an einer gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsakts und insbesondere einer solchen neben dem Pfändungsbeschluss fehlt. Eine Entscheidung durch Verwaltungsakt ist auch nicht aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes zugunsten des Sozialleistungsberechtigten geboten, weil dafür Rechtsbehelfe und Antragsrechte nach dem Vollstreckungsrecht zur Verfügung stehen. Selbst wenn es bei einem Blankettbeschluss dem Sozialleistungsträger überlassen ist, den pfändungsfreien Betrag nach der Tabelle zu § 850c ZPO zu bestimmen, handelt es sich bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nicht um einen aus eigener hoheitlicher Befugnis resultierenden regelnden Verwaltungsakt, sondern um die Ausführung des Pfändungsbeschlusses als Drittschuldner. Insoweit unterscheidet sich der Sozialversicherungsträger nicht von einem zivilen Drittschuldner (z. B. dem Arbeitgeber), dem die Berechnung des pfändbaren Betrags überlassen ist. Wenn und soweit in diesen Fällen über den pfändbaren Betrag Meinungsverschiedenheiten bestehen, stehen sowohl dem Pfändungsgläubiger als auch dem Sozialleistungsberechtigten die einfache Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) aus eigenem oder überwiesenem Recht zu, wobei dann das Sozialgericht, unter Bindung an den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss an sich, mit der Leistungsklage inzident über die richtige Höhe des gepfändeten Betrags zu befinden hat. Werden dagegen andere Einwendungen, die sich gegen die Richtigkeit des Beschlusses und den dort ausgewiesenen Umfang der Pfändung wenden, ist darüber nicht vom Sozialleistungsträger, sondern vom Vollstreckungsgericht oder der Vollstreckungsbehörde zu entscheiden.

 

Rz. 58

Gegen die Annahme, dass die Ausführung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einen Verwaltungsakt darstellt oder in dieser Form zu ergehen hat, spricht insbesondere auch, dass dann 2 Rechtswege gegeben wären, einmal nach Widerspruch die Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht, andererseits der Zivilrechtsweg oder Verwaltungs- oder Finanzrechtsweg je nach Vollstreckungsbehörde bei Erinnerung und Beschwerde (so auch Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § 54 Rz. 46; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz 65; Bigge, in: Eichenhofer...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge