2.7.1 Rückforderung vom Pfändungsgläubiger
Rz. 67
Mit dem durch Art. 2 Nr. 5, 32 Abs. 1 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes mit Wirkung zum 30.3.2005 angefügten Abs. 6 wird auf § 53 Abs. 6 verwiesen. Nach § 53 Abs. 6 gilt in den Fällen, in denen bei einer Übertragung oder Verpfändung Geldleistungen zu Unrecht erbracht worden sind, dass sowohl der Leistungsberechtigte als auch der neue Gläubiger als Gesamtschuldner dem Leistungsträger gegenüber zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet sind und der Leistungsträger den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen hat. Das bedeutet, dass auch im Fall einer gerichtlich verfügten Pfändung und Überweisung eine (in der Sache) zu Unrecht erbrachte Sozialleistung in Geld auch vom Pfändungsgläubiger zurückgefordert werden kann.
Rz. 68
Die Anwendung der Regelungen des § 53 Abs. 6 ist allerdings ausdrücklich auf die Fälle der Pfändung einer Geldleistung nach Abs. 2, 4 und 5 beschränkt. Für den Fall der Pfändung einer an sich unpfändbaren Leistung nach Abs. 1 oder 3 und der Zahlung aufgrund des an sich rechtsfehlerhaften aber wirksamen Pfändungsbeschlusses (§ 836 Abs. 2 ZPO) greift daher die Haftung des Pfändungsgläubigers nicht. Da jedenfalls die in Abs. 3 genannten Leistungen zumindest in einem bestimmen Umfang (das Wohngeld nach Abs. 3 Nr. 2a sogar bis zur vollen Höhe) pfändbar sein können, kann also durchaus auch der Fall eintreten, dass infolge einer Pfändung und Überweisung an den Pfändungsgläubiger ausgezahlt wurde und werden musste, später die Sozialleistung jedoch als zu Unrecht erbracht nach § 50 SGB X zurückgefordert wird. Eine ausdrückliche Begründung dafür, warum in den Fällen des Abs. 3 die Haftung des Leistungsempfängers nicht eintreten soll, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Es scheint eher so zu sein, dass wegen der in Abs. 3 gewählten Formulierung "Unpfändbar sind ..." von der generellen Unpfändbarkeit der in Abs. 3 genannten Sozialleistungen ausgegangen wurde, sodass auch Fälle der Haftung bei Pfändung als ausgeschlossen angesehen wurden. Auch infolge der Ausgestaltung des Elterngeldes als Lohnersatzleistung, die lediglich mit dem Grundbetrag von 300,00 EUR nicht der Pfändung unterliegt, ist keine Anpassung des Verweises erfolgt. Die ebenfalls nicht erwähnten Fälle der zwar rechtsfehlerhaften aber durchaus möglichen Pfändung einer Leistung nach Abs. 1 sprechen daher nicht nur dafür, dass hier wohl ein Redaktionsversehen vorlag, sondern belegen zudem, dass die Haftung für Fälle der trotz Unpfändbarkeit tatsächlich erfolgten Pfändung und Leistung an den Pfändungsgläubiger aufgrund des gerichtlichen Pfändungsbeschlusses gar nicht bedacht worden sind. In diesen Fällen verbleibt es daher bei der Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistung allein vom Sozialleistungsberechtigten (BSG, Urteil v. 30.1.2002, B 5 RJ 26/01 R), die Grund und Anlass für die Regelung des Abs. 6 war.
Rz. 69
Von Abs. 6 werden nur die Fälle der zu Unrecht erfolgten Bewilligung einer Leistung und deren Rückforderung nach § 50 Abs. 3 SGB X erfasst. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Sozialleistung selbst ist daher allein § 50 SGB X (vgl. BT-Drs. 15/4228 S. 25). Voraussetzung für die Haftung auch des Pfändungsgläubigers ist daher die Rückforderung der dem Grunde nach wirksam gepfändeten Sozialleistung. In diesen Fällen schlägt die zu Unrecht erfolgte Leistungsgewährung auf den Dritten als tatsächlichen Empfänger der Geldleistung durch.
Rz. 70
Wie in den Fällen des § 53 Abs. 6 (vgl. Komm. dort) betrifft die Regelung nicht die Fälle der über die Bewilligungszeit der Sozialleistung hinaus erfolgten Zahlung oder der Überzahlung (Übertilgung) der zugrunde liegenden Forderung (so auch v. Koppenfels-Spies, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 54 Rz. 40; Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 54 Rz. 118, Stand: 16.8.2021; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl. § 54 Rz. 69; a. A. W. Schmidt, RVaktuell 2005 S. 461). In diesen Fällen bleibt es bei der Rückforderung der Überzahlung vom Pfändungsgläubiger als Empfänger einer ohne Verwaltungsakt zu Unrecht gewährten Sozialleistung (vgl. BSG, Urteil v. 24.7.2001, B 4 RA 102/00 R), weil nur der Pfändungsgläubiger die Leistung tatsächlich erhalten hat und damit keine Situation für eine gesamtschuldnerische Haftung besteht. (Zur Rückforderung von Wohngeld vom Empfänger in den Fällen einer Überzahlung vgl. § 30 Abs. 2 WoGG; für Renten § 118 Abs. 3 SGB VI.)
Rz. 71
Keine Anwendung findet Abs. 6 i. V. m. § 53 Abs. 6 auch in den Fällen, in denen sich später herausstellt, dass die Pfändung als solche fehlerhaft war oder Fehler im Deckungsverhältnis zwischen Sozialleistungsberechtigtem und Pfändungsgläubiger vorlagen.
2.7.2 Rückforderung durch Verwaltungsakt
Rz. 72
Die ausdrückliche Regelung, nach der die gesamtschuldnerische Haftung durch Verwaltungsakt geltend zu machen ist, bildet die gesetzliche Ermächtigung dafür, dass gegenüber dem Pfändungsgläubiger als an sich außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses Stehendem ein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X in Form eines Haftungsbescheides erlassen w...