Rz. 4
Die Sonderrechtsnachfolge tritt bei Tod des materiell Sozialleistungsberechtigten kraft Gesetzes ein. Sie vollzieht sich im Wege der Einzelrechtsnachfolge. Mehrere übergehende Leistungsansprüche bilden keinen Sondernachlass, sondern gehen einzeln über. Einer Annahmeerklärung des Sonderrechtsnachfolgers bedarf es nicht. Ist ein gerichtliches Verfahren über den Anspruch anhängig, kann der Sonderrechtsnachfolger dieses Verfahren als Anspruchsberechtigter weiterführen. Die Gerichtskostenfreiheit des § 183 SGG gilt für den Sonderrechtsnachfolger im gleichen Umfang wie für den ursprünglich Berechtigten (zu Grenzen vgl. Berchtold/Trésoret, NZS 2014 S. 241). Zur Vermeidung der Sonderrechtsnachfolge kann jedoch nach § 57 der Verzicht erklärt werden (vgl. Komm. zu § 57). Auch auf nur einzelne der übergehenden Ansprüche kann verzichtet werden.
Rz. 5
Die Sonderrechtsnachfolge bewirkt lediglich den Übergang des Geldleistungsanspruchs als Erfüllungsanspruch. Ein Eintritt in das Stammrecht (vgl. Komm. zu § 40) ist damit nicht verbunden. Der Sonderrechtsnachfolger wird daher nicht selbst zum Sozialleistungsberechtigten, sondern nur zum Empfänger einer Sozialleistung. Dies ist für die Frage der Rückforderung zu Unrecht bewilligter und gezahlter Sozialleistungen zu beachten, weil die Sonderrechtsnachfolge nicht durch Verwaltungsakt zu regeln ist (vgl. Komm. zu § 50 SGB X).
Rz. 6
Die Sonderrechtsnachfolge schließt die gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge aus. Der Erblasser kann auch über die Sozialleistungen, die der Sonderrechtsnachfolge unterliegen, auch nicht anderweitig letztwillig verfügen.
2.1.1 Ansprüche auf fällige laufende Geldleistungen
Rz. 7
Die Sonderrechtsnachfolge tritt nur für noch nicht erfüllte Ansprüche auf laufende Geldleistungen ein, die auch Sozialleistungen nach § 11 sind. Dies sind die Ansprüche, die in den §§ 1 bis 10, §§ 18 bis 29 und in den als Teilen des SGB geltenden besonderen Gesetzen (vgl. § 68) benannt und geregelt sind. Auch wenn dies der Zweck und Hintergrund der Regelung ist, müssen diese nach ihrem gesetzlichen Zweck nicht Unterhaltsfunktion haben. Auch rentenähnliche Zahlungen mit Ausgleichs- und Entschädigungsfunktion nach dem BVG oder Zuschläge (Kinderzuschläge oder Zuschüsse zur Krankenversicherung), die laufend gezahlt werden, unterliegen der Sonderrechtsnachfolge.
Rz. 8
Als laufende Geldleistungen sind auch Nachzahlungen in einer Summe anzusehen (z. B. Nachzahlung von Renten für die Vergangenheit). Hierfür ist jedoch die Feststellung des Nachzahlungsanspruchs, zumindest jedoch die Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens über diese Ansprüche zum Zeitpunkt des Todes erforderlich (§ 59 Satz 2).
Rz. 9
Einmalige Geldleistungen, wie Erstattungen von Beiträgen oder für auf eigene Kosten selbst beschaffte Leistungen oder zuvor getragene Kosten der Krankenbehandlung, fallen nicht unter die Sonderrechtsnachfolge (BSG, Urteil v. 11.5.1983, 12 RK 36/90, NZS 1993 S. 502; BSG, Urteil v. 3.8.2006, B 3 KR 24/05 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 10; BSG, Urteil v. 3.8.2006, B 3 KR 24/05 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 10). Dies selbst dann nicht, wenn sie bereits zuvor hätten erbracht werden müssen und damit dem Haushalt zugute gekommen wären. Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 SGB V hat die Rechtsprechung dann aber für die laufend verauslagten Kosten eines Arzneimittels (vgl. BSG, Urteil v. 26.9.2006, B 1 KR 1/06 R, BSGE 97, 112) und später (vgl. BSG, Urteil v. 8.9.2015, B 1 KR 14/14 R, KrV 2015 S. 254) selbst für die Kosten einer einzelnen Behandlung angenommen, dass es sich um eine laufende Geldleistung i. S. d. § 56 handelt. Diese Rechtsprechung, bei der es (nur) um die Anwendung der Kostenprivilegierung nach § 183 Satz 1 SGG als Sonderrechtsnachfolger ging, überzeugt nicht. § 56 stellt eine Ausnahmeregelung gegenüber den erbrechtlichen Regelungen des BGB (Gesamtrechtsnachfolge von Todes wegen nach §§ 1922 ff. BGB) dar, die dazu führt, dass die laufende Geldleistung nicht in den Nachlass fällt und damit nicht dem oder den Erben zu gute kommt. Bei einer solchen Ausnahmeregelung ist schon zweifelhaft, ob sie einer erweiternden Auslegung oder analogen Anwendung zugänglich ist, indem unter den Begriff der laufenden Geldleistung auch Kostenerstattungsansprüche für nicht erbrachte Sachleistungen subsumiert werden (krit. zu dieser Rechtsprechung auch Wagner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, § 56 Rz. 12, Stand: 1.10.2011). Insbesondere begegnet eine solche ausweitende Auslegung Bedenken, wenn die Kosten einer selbst beschafften Leistung nicht aus den laufenden Geldleistungen, sondern aus dem Vermögen finanziert wurden (so erkennbar im Urteil des BSG v. 3.7.2012, B 1 KR 6/11R, BSGE 111 S. 157) und ein evtl. Kostenerstattungsanspruch dann auch dem Vermögen wieder zufließen würde.
Rz. 10
Der Zahlungsanspruch muss entstanden und fällig sein (vgl. Komm. zu §§ 40, 41), d. h., der gesetzliche Zahlungs-/Fälligkeitszeitpunkt muss noch vor dem Todestag gelegen haben. Setzt das Entstehen eines Anspruchs einen materiell-rechtlich erforderlichen Antrag voraus (z. B. bei Re...