2.1 Vererbbare Ansprüche (Satz 1)
Rz. 3
Nur auf Geldleistungen gerichtete Ansprüche auf Sozialleistungen (§ 11) sind vererblich. Dies ergibt sich im Rückschluss aus § 59 Satz 1, der ausnahmslos Ansprüche auf Sach- oder Dienstleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen lässt. Ob es sich um laufende oder um einmalige Geldleistungen handelt, ist dabei gleichgültig. Es muss sich jedoch um eigene sozialrechtliche Ansprüche des Erblassers handeln. Für außerhalb des SGB begründete Ansprüche (fiskalische Ansprüche, Schadensersatz aus Amtshaftung usw.) gelten nicht die Vorschriften der §§ 56 ff., so dass auch unmittelbar Erbrecht eingreift.
Rz. 4
Laufend zu zahlende und fällige Ansprüche fallen dann in die Erbmasse und gehen auf den Erben über, wenn und soweit keine Sonderrechtsnachfolge in diese Ansprüche eintritt, also entweder kein Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Abs. 1 vorhanden ist oder alle nach § 57 den Verzicht auf die Sonderrechtsnachfolge erklärt haben. Vor der Entscheidung über dem/den Erben zustehende Ansprüche ist daher die Frage des Anspruchs eines Sonderrechtsnachfolgers zu prüfen, unabhängig davon, ob ein Sonderrechtsnachfolger diese Ansprüche geltend gemacht hat. Angesicht des als Sonderrechtsnachfolger in Betracht kommenden Personenkreises der nahen Angehörigen ist allerdings die Anspruchsberechtigung sowohl als Sonderrechtsnachfolger als auch als Erbe nicht ausgeschlossen.
Rz. 5
Die Sonderrechtsnachfolge soll den Übergang laufender und fälliger in Geld bestehender Sozialleistungsansprüche auf den/die Erben ausschließen. Daher setzt der Einleitungssatz des § 58 als negative Bedingung ("soweit … nicht") für das gesetzliche Erbrecht das Nichtvorliegen der Sonderrechtsnachfolge in diese Ansprüche nach §§ 56, 57 voraus. Da die Sonderrechtsnachfolge ohnehin nur bei Tod fällige Ansprüche erfasst, hat die für das Erbrecht vorausgesetzte und wiederholte Voraussetzung der Fälligkeit der Ansprüche eine eigenständige Bedeutung dahingehend, dass auch nur schon fällige Ansprüche vererblich sind. Im Regelfall werden zwar Sozialleistungen mit dem Entstehen kraft Gesetzes fällig (vgl. §§ 40, 41 und Komm. dort); dies jedoch nicht in jedem Fall. Nicht in die Erbmasse fallen daher Leistungen, über die noch nicht entschieden ist (z.B. Ermessensleistungen, die erst mit der Entscheidung darüber entstehen und fällig werden – § 40 Abs. 2) oder Ansprüche, die erst für einen Zeitpunkt nach dem Tod des Erblassers durch Verwaltungsakt bewilligt wurden.
Rz. 6
Dem Erbrecht unterliegen aber auch die Geldleistungsansprüche, die bis zum Zeitpunkt des Todes kraft Gesetzes oder Verwaltungsakt (vgl. Komm. zu § 38) als laufende Geldleistungen entstanden und festgestellt sind und einmalige Geldleistungen, wenn diese bis zum Zeitpunkt des Todes fällig waren. Bei den Geldleistungen kann es sich nicht nur um rückständige laufende oder um einmalige Sozialleistungen i.S.d. § 11 handeln, sondern auch um andere Ersatz- oder Erstattungsansprüche, z.B. solche auf eine zu Lebzeiten beantragte Beitragserstattung nach § 26 SGB IV oder Kostenerstattung wegen nicht oder nicht rechtzeitig erbrachter Krankenbehandlung nach § 13 SGB V (vgl. BSG, Urteil v. 11.5.1993, 12 RK 36/90, NZS 1993 S. 502 = SozR 3-2200 § 176b Nr. 1).
Rz. 7
Die Geldansprüche fallen nicht nur dann in den Nachlass, wenn sie zum Todeszeitpunkt schon eindeutig geklärt und förmlich festgestellt worden waren, sondern auch dann, wenn sie beantragt oder bereits von Amts wegen ein Verfahren zur Feststellung eingeleitet war (vgl. Komm. zu § 59). Soweit ein Verwaltungsverfahren (§ 8 SGB X) über einen geltend gemachten Geldanspruch zum Todeszeitpunkt anhängig war, tritt der Erbe als Anspruchsinhaber in diese Verfahrensstellung ein, ohne jedoch selbst Sozialleistungsberechtigter (i.S.d. Stammrechts – vgl. Komm. zu § 40) zu werden. War mangels Antrags der Anspruch noch nicht entstanden, kann der Erbe diesen Antrag nicht mehr stellen (zum Anspruch auf Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge vgl. BSG, Urteil v. 30.10.1990, 4 RLw 2/90, SozR 3-5850 § 27a Nr. 1).
Rz. 8
Als grundsätzlich nicht vererblich werden die noch zu Lebzeiten des Erblassers entstandenen Leistungen nach dem SGB XII angesehen, weil diese höchstpersönliche Bedarfslage, ähnlich den Sach- und Dienstleistungen, nicht mehr durch Zahlung an den Erben rückwirkend beseitigt werden kann. Hiervon wurden von der Rechtsprechung dann Ausnahmen gemacht, wenn ein nicht vorleistungspflichtiger Dritter für nicht rechtzeitig erbrachte Leistungen in Vorlage getreten ist (BVerwG, Urteil v. 5.5.1994, 5 C 43.91, NJW 1994 S. 2842). Nunmehr kommt ggf. ein eigenständiger Erstattungsanspruch nach § 19 Abs. 6 SGB XII (früher: § 28 Abs. 2 BSHG) für einen vorleistenden (aushelfenden) Dritten in Betracht (vgl. Komm. zu § 19 SGB XII). Die Regelung wurde gerade wegen des Grundsatzes der Nichtvererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen eingeführt (BT-Drs. 13/2440 S. 15). Hierbei handelt es sich jedoch dem Grunde nach aber wohl nicht um eine Frage der Vererbung, sondern eigenständiger Erstattungs...