Rz. 22
Die Nutzung von Vordrucken des Leistungsträgers korrespondiert mit § 17 Abs. 1 über die Verwendung allgemein verständlicher Vordrucke. Der Vorteil von Vordrucken für den Leistungsträger besteht in der Gewinnung aller Erkenntnisse für die Entscheidung über die Sozialleistung oder jedenfalls in einer guten Übersicht über die kritischen Punkte bei einem Antrag auf eine Sozialleistung. Die Bearbeitung von Vordrucken ist eine Möglichkeit, im Rahmen von Massenverwaltungen effizient zu arbeiten. Soweit die Leistungsträger den Zugang zu den Sozialleistungen bereits online ausgestalten, bleibt der Vordruckcharakter (z. B. durch workflows) auch hier erhalten. Allerdings können in online-Verfahren Informationen und Erläuterungen durch Einblendung sichtbar gemacht werden und damit einen nahezu beliebigen Umfang einnehmen. Der Vorteil für den Antragsteller liegt hauptsächlich darin, über den Vordruck in verständlicher Form zu den erforderlichen Angaben geführt und über die vorzulegenden Unterlagen informiert zu werden. Damit kann der Antragsteller selbst einschätzen, in welchem Umfang er zu einem zügigen Ablauf des Verwaltungsverfahrens beitragen kann, welche Unterlagen er besonders beschaffen muss und wann seine Antragsunterlagen vollständig sind. Vordrucke vereinfachen daher im Ergebnis das Verwaltungsverfahren. Andererseits sind online-Verfahren nicht selten so gestaltet, dass einzelne Felder ausgefüllt werden müssen, auch wenn der Antragsteller dies nicht will; auf einem anderen Wege gibt es aber keinen Fortschritt bei der Antragstellung. Wenn ein Leistungsträger Antragsvordrucke bereitgestellt hat, liegt ein vollständiger Antrag vor, wenn der Vordruck vollständig ausgefüllt ist und die darin bezeichneten Unterlagen eingereicht wurden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.6.2012, L 7 R 923/11). Nicht schädlich ist Unvollständigkeit, soweit keine Verpflichtung zu Angaben oder zur Vorlage von Beweisurkunden besteht, weil dies für die Leistung nicht erheblich, unangemessen, unzumutbar ist, der Leistungsträger sich die erforderlichen Kenntnisse mit geringerem Aufwand beschaffen kann oder ein Verweigerungsrecht besteht. Die amtlichen Vordrucke sind auch nach dem Wohngeldrecht zu verwenden, ein Versagungsbescheid soll auf die Weigerung gestützt werden können, diese Vordrucke zu benutzen (VG Berlin, Urteil v. 3.3.2015, 21 K 65.14).
Rz. 23
Zu leicht verständlichen Antragsvordrucken gehören insbesondere auch übersichtliche Vordrucke, die genügend Platz für Eintragungen bieten, und Erläuterungen zum Ausfüllen der Vordrucke, die den Antragsteller beim Ausfüllen begleiten. Vordrucke stellen in erster Linie ein Hilfsmittel zur Erfüllung der Mitwirkungspflichten sowie der Amtsermittlungspflicht dar. Wird der Inhalt von Formularen, Merkblättern u. a. nicht zur Kenntnis genommen und deshalb eine Änderungsmitteilung unterlassen, werden die Mitwirkungspflichten grob fahrlässig verletzt (SG Freiburg, Urteil v. 27.3.2012, S 9 KG 521/10). Über Vordrucke dürfen nur Tatsachen erfragt werden (vgl. zur Frage nach dem Rechtsbegriff "Partner in eheähnlicher Gemeinschaft" Bay. LSG, Urteil v. 26.11.2014, L 11 AS 589/14). Insbesondere ist zu verhindern, dass der Antragsteller bereits eigene rechtlichen Wertungen vornimmt, diese sind dem Leistungsträger zu überlassen.
Rz. 24
Antragsvordrucke sollen verwendet werden. Der Leistungsträger kann also im Regelfall darauf bestehen. Absolut obligatorisch ist die Verwendung der Vordrucke allerdings nicht (vgl. OVG Sachsen, Urteil v. 24.3.2021, 5 A 373/18).
Ein sog. atypischer Fall wird allerdings nur vorliegen, wenn dem Leistungsträger bereits alle relevanten Informationen und Nachweise vorliegen, sodass sich das Ausfüllen der Vordrucke als Gängelei erweist, durch die die Grenzen der Mitwirkungspflicht überschritten werden (vgl. § 65 Abs. 1), oder der Leistungsempfänger die erforderlichen Angaben vollständig und so übersichtlich macht und die notwendigen Dokumente beifügt, dass die Antragsunterlagen den vom Leistungsträger vorgesehenen Vordrucken qualitativ nicht nennenswert nachstehen. Dann ist es dem Leistungsträger zuzumuten, auf das gesonderte Ausfüllen von Vordrucken zu verzichten (so im Ergebnis auch Hess. LSG, Beschluss v. 27.3.2013, L 6 AS 400/12 B ER). Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt, dass der Leistungsträger für eintretende Schäden aufgrund von unrichtigen und unvollständigen Vordrucken haften muss.
Rz. 25
Die für den Datenschutz in Bund und Ländern Beauftragten beobachten die von den Leistungsträgern verwendeten Vordrucke zwischenzeitlich sehr genau. Je umfangreicher und tiefgreifender die Antragsvordrucke werden, umso mehr gehen die Leistungsträger dazu über, die Vordrucke vor Verwendung mit den Beauftragten abzustimmen (z. B. die Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich der Antragsvordrucke für die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b SGB II auf Leistungen zum Lebensunterhalt im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II). Das gilt auch, soweit diese online zur Ver...