Rz. 2
Die Vorschrift greift das praktische Erfordernis auf, dass im Zusammenhang mit der Antragstellung oder dem Bezug von Sozialleistungen persönliche Erörterungen mit dem Antragsteller erforderlich werden, für die sich ein Schriftwechsel nicht eignet, z. B. wegen der Komplexität der Angelegenheit. Das ist einerseits der Fall, nachdem der Antragsteller seinen schriftlichen Leistungsantrag mit den erforderlichen Belegen abgegeben hat und sich Schwierigkeiten bei der Bearbeitung des Antrages herausstellen. Andererseits ergeben sich solche Notwendigkeiten, wenn dem Leistungsträger während des laufenden Bezuges Umstände bekannt werden, die gegen die Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges sprechen (z. B. Verdacht auf Leistungsmissbrauch). Der Leistungsträger darf im Rahmen seiner Amtsermittlung die entscheidungserheblichen Tatsachen in persönlichen Gesprächen ermitteln, auch, um das Leistungsverfahren zu beschleunigen. Die Mitwirkungspflichten gelten deshalb insbesondere auch im Zusammenhang mit Weiterbewilligungsanträgen und mit Fortzahlungsanträgen bei Leistungen, die in Bewilligungsabschnitten gewährt werden. Für den Regelfall verpflichtet die als Sollvorschrift ausgestaltete Norm Antragsteller und Leistungsbezieher zur persönlichen Vorsprache beim zuständigen Leistungsträger, wenn dieser es verlangt. Gegenstand der Vorsprache sind einerseits mündliche Erörterungen des Antrags. Diese werden schon dann notwendig, wenn die vorgelegten Unterlagen und ausgefüllten Antragsvordrucke nicht ausreichen, um die begehrte Leistung zu bewilligen, ohne das durch einfache Bezeichnung der fehlenden Angabe oder Unterlagen die Entscheidungsreife des Antrages herbeigeführt werden könnte. Als weiteren Gegenstand des persönlichen Erscheinens benennt der Gesetzgeber die Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistung notwendiger Maßnahmen. Damit meint er insbesondere den Augenschein (für § 61) und die Beobachtung des Gesundheitszustandes (für § 62). Antragsteller und Leistungsbezieher können außerhalb des § 61 jederzeit beim Leistungsträger vorsprechen. Damit geht aber kein Anspruch nach § 65a Abs. 2 zu einer nachträglich anerkannten Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens (oder einer Untersuchung nach § 62) einher. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, Leistungsverfahren effizient und effektiv zu gestalten. Die Vorschrift stellt auf die Entscheidung über die Leistung ab. Darunter ist jede Entscheidung zu verstehen, die der Leistungsträger auf dem Weg bis zur Verwirklichung des Leistungszwecks treffen muss. Das sind die verwaltungsverfahrensrechtlichen Entscheidungen zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen und die Entscheidung über das subjektive Recht auf eine Sozialleistung oder über das Bestehen eines Einzelanspruchs, aber auch alle weiteren Entscheidungen über Einwendungen, Einreden und über die Art und Weise der Leistungserbringung. Daneben soll sie vermeiden, dass Sozialleistungen aufgrund von Missverständnissen oder beim Antragsteller bzw. Bezieher unzulänglich bekannter Rechtslage ganz oder teilweise nicht oder nicht mehr gezahlt werden. Nach allgemeiner Auffassung enthält § 61 nicht nur die Pflicht des Antragstellers bzw. Leistungsberechtigten, sondern auch die Pflicht des Leistungsträgers, eine persönliche Erörterung zu suchen, bevor er von einer Nichtermittelbarkeit des Sachverhaltes ausgehen darf. Das persönliche Erscheinen auch innerhalb der durch § 65 normierten Grenzen kann und soll nicht erzwungen werden. Ggf. treten die Rechtsfolgen nach § 66 ein, so dass die begehrte Leistung versagt oder entzogen wird. Das Nichterscheinen eines Arbeitslosen in der Agentur für Arbeit nach einer Meldeaufforderung kann nicht nur ein gewichtiges Indiz für das Fehlen von Verfügbarkeit und damit das Nichtvorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld nach dem Recht der Arbeitsförderung, sondern auch für die Verletzung der Obliegenheiten des Arbeitslosen zur Angabe von Tatsachen und zum persönlichen Erscheinen nach den für alle Sozialleistungen geltenden Mitwirkungsvorschriften und damit Grund für eine Entziehung oder Versagung der Leistung sein. Die allgemeinen Mitwirkungsvorschriften sind insoweit neben der speziellen Regelung des SGB III zur Meldeaufforderung (§ 309 SGB III) anwendbar (BSG, Urteil v. 14.5.2014, B 11 AL 8/13 R). § 37 will den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs nur zurücktreten lassen, soweit die sachlich spezielleren Gesetze der einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuchs eine Materie gesondert und abschließend regeln. Eine solche Spezialität besteht im Verhältnis der §§ 61, 66 zu § 309 SGB III nicht; denn es handelt sich insoweit um 2 verschiedene Rechtsinstitute, die nach Voraussetzungen, Rechtscharakter und Folgen ausreichend verschieden sind, um der Behörde nebeneinander zu Gebote zu stehen. Diesbezüglich ergibt sich aus § 309 SGB III für das BSG nichts von § 37 Abweichendes.