Rz. 3

Abs. 1 und Abs. 2 sehen die Möglichkeit vor, im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Leistung zu versagen. Durch die Versagung wird eine beantragte Leistung verweigert, im Ergebnis also die Leistungsgewährung nicht aufgenommen. Versagung bedeutet, dass über den materiellrechtlichen Anspruch auf die Leistung selbst gar nicht entschieden wird. Insofern wird das Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen und kann jederzeit wieder aufgenommen werden. Das ähnelt einer nicht endgültigen Zahlungseinstellung, bis die Voraussetzungen für die Leistung nachgewiesen sind. Allerdings muss die Mitwirkungshandlung, deren Versäumnis zur Versagung führt, vom Amtsermittlungsgrundsatz der Behörde gedeckt sein. Das ist etwa der Fall, wenn ein Jobcenter den Antragsteller auffordert, eine Aufstellung über die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten Zeitraum einschließlich der Nachweise dazu vorzulegen, wenn dies den rechtlichen Vorgaben zur Berücksichtigung von Einkommen, z. B. nach § 3 der Bürgergeld-V, entspricht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.2.2015, L 7 AS 312/14 B). Das Verwaltungsverfahren wird regelmäßig jedoch nicht vor dem Zeitpunkt wieder aufgenommen werden, zu dem die Mitwirkung nachgeholt wird. Gegen einen Versagungs- oder Entziehungsbescheid ist grundsätzlich Anfechtungsklage zu erheben.

 

Rz. 4

In Fällen des Abs. 2 bedeutet Versagung, dass die wegen Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragte, aber noch nicht bewilligte Leistung nicht gewährt wird. Die Versagung bezieht sich also nicht auf den Leistungsanspruch, den der Betroffene nach einer erfolgreichen Absolvierung der angestrebten Heilbehandlung oder Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben möglicherweise haben würde.

 

Rz. 5

Die Versagung wirkt von der Antragstellung bis zur Nachholung der Mitwirkung ("ex tunc"), der möglicherweise bestehende Leistungsanspruch geht für diese Zeit unter. Der Versagungsbescheid wird rechtswidrig, wenn die verlangte Mitwirkung nachgeholt wird. Er muss aufgehoben werden. Darin liegt zugleich die sich aus § 66 im Hinblick auf § 67 gegenüber § 48 SGB X ergebende günstigere Rechtsfolge für den Betroffenen.

Nach Erlass eines Versagungsbescheides entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage (SG München, Gerichtsbescheid v. 23.7.2020, S 21 R 128/20).

 

Rz. 6

Abs. 1 und 2 sehen die Möglichkeit vor, im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Leistung zu entziehen. Durch Entziehung wird die Gewährung einer bereits bewilligten Leistung beendet. Das bezieht sich auf den Zeitpunkt mit Leistungszahlung, der noch durch die leistungsgewährende Stelle beeinflusst werden kann. Bei rückwirkender Leistung kann sich eine Entziehung auch rückwirkend darstellen. Entziehung bedeutet, dass über das (weitere) Bestehen des Leistungsanspruches selbst nicht entschieden wird. Insofern wird das Verwaltungsverfahren lediglich ausgesetzt und kann jederzeit wieder aufgenommen werden. Bei entzogenen Leistungen wird der Leistungsträger wegen der bereits gezahlten Leistungen (z. B. als Vorschuss, § 42) nicht unbegrenzt zuwarten, ob der Leistungsberechtigte seine Mitwirkungshandlung nachholt. Denn es steht in Rede, ob die bereits gewährten Leistungen ganz oder teilweise zu Unrecht geleistet worden sind. Es steht insoweit eine Aufhebungsentscheidung nach den §§ 45, 48 SGB X im Raum.

 

Rz. 7

Die Entziehung wirkt in die Zukunft bis zur Nachholung der Mitwirkung ("ex nunc"), der möglicherweise bestehende Leistungsanspruch geht für diese Zeit unter (vgl. BSG, Urteil v. 22.2.1995, 4 RA 44/94). Der Entziehungsbescheid wird rechtswidrig, wenn die verlangte Mitwirkung nachgeholt wird. Er muss aufgehoben werden. Die Entziehungsermächtigung erlaubt dem Leistungsträger, durch gestaltenden Verwaltungsakt einen Sozialleistungsanspruch oder ein sonstiges subjektives Leistungsrecht des Bürgers zu verändern, indem er es ganz oder teilweise vernichtet. Die Entziehung darf rechtmäßig nur wegen fehlender Mitwirkung oder absichtlicher Erschwerung der Aufklärung des Sachverhaltes ausgesprochen werden, nicht aber wegen Fehlens von Anspruchsvoraussetzungen. Wie bei der Versagung muss die Mitwirkungshandlung vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt sein. Daher wird der Entziehungsbescheid in Fällen des Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 rechtswidrig, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird. Durch seine Aufhebung leben die Ansprüche aber nicht rückwirkend wieder auf, sondern es entsteht ein Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der entzogenen Leistung. Das Bewahren vor einem endgültigen Rechtsverlust bedeutet eine deutlich mildere Regelung gegenüber einer Umkehr der materiellen Beweislast zulasten des Leistungsempfängers.

 

Rz. 7a

Lässt sich eine erfüllte Mitteilungspflicht gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht nachweisen, geht dies nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zulasten des Leistung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?