0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem SGB I mit Wirkung zum 1.1.1976 in Kraft getreten. Abs. 2 wurde mit Wirkung zum 1.1.1995 geändert durch Art. 2 des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) und erneut geändert durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts v. 13.12.2007 (BGBl. I S. 2904) mit Wirkung zum 21.12.2007.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Folgen fehlender Mitwirkung nach den §§ 60 bis 64 ohne Rechtfertigungsgründe nach § 65 abschließend. Die begehrte Sozialleistung kann versagt oder entzogen werden. Damit will der Gesetzgeber den Antragsteller bzw. Empfänger von Sozialleistungen dazu bewegen, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen. Da die Erfüllung der Mitwirkungspflichten nicht mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden kann und soll, blieben die Pflichtverletzungen ohne das Instrument der Versagung bzw. Entziehung ohne rechtliche Folgen für den Antragsteller bzw. Leistungsbezieher. Die Rechtsfolge einer fehlenden Mitwirkung steht im Ermessen der Behörde (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 11.2.2015, L 7 AS 312/14 B). Der Betroffene wird für sein sozialwidriges Verhalten nicht bestraft; im Falle der Nachholung seiner Mitwirkungspflichten können die nicht gewährten Sozialleistungen nach Maßgabe einer Ermessensentscheidung des Leistungsträgers bzw. der Behörde mit Wahrnehmungsfunktion nachträglich und auch rückwirkend gewährt werden (§ 67). Gegenstand einer Versagungsentscheidung ist nicht der materielle Anspruch, sondern allein die Auseinandersetzung über die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren (Bay. LSG, Urteil v. 28.7.2015, L 16 AS 118/15). Der Leistungsträger benötigt eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen, z. B. zur Ermittlung der zu erwartenden Einkünfte eines selbstständig tätigen Antragstellers auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dafür reichen Kontoauszüge nicht aus, es bedarf einer Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.7.2017, L 7 AS 2255/15). Die Rechtsfolge der fehlenden Mitwirkung liegt im Ermessen der Behörde. Damit knüpft die Rechtsfolge an die schon für die Begrenzung der Mitwirkungspflichten geltenden Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit an. Andererseits setzt die Versagung oder Entziehung nicht unbedingt ein schuldhaftes, sondern lediglich ein pflichtwidriges Verhalten voraus. Versagungen und Entziehungen sind gestaltende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, die Leistungsansprüche bis zur Nachholung der Mitwirkung vernichten. Sie werden mit der Nachholung der Mitwirkung rechtswidrig. Die Vorschrift ist dem Präventionsrecht zuzuordnen. Mit der Verschuldensfrage zusammenhängende persönliche Umstände können bei der Abwägung im Rahmen der Ermessensbetätigung berücksichtigt werden. Weitere Ermittlungen des Leistungsträgers sind aber nicht erforderlich. Eine Versagung oder Entziehung kommt nur in Betracht, soweit die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachgewiesen sind.
Auch § 18 SGB XI mit an sich eigener Bestimmung zu den Rechtsfolgen verweist letztlich auf § 66. Sperrzeiten nach dem SGB III und Leistungsminderungen nach dem SGB II (§§ 31, 31a ff. SGB II, § 159 SGB III) sind anders definierte Rechtsfolgen für die Verweigerung der Mitwirkung an der Beendigung der Arbeitslosigkeit bzw. Verringerung der Hilfebedürftigkeit.
Rz. 2a
Abs. 1 regelt die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhaltes aufgrund beantragter oder bereits bezogener Sozialleistungen. Das betrifft die Angabe von Tatsachen nach § 60, das persönliche Erscheinen nach § 61 und die Vornahme von Untersuchungshandlungen nach § 62. Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 63, 64 sind nicht betroffen, weil diese nicht auf die Aufklärung des Sachverhaltes, sondern auf eine Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Erwerbs- oder der Vermittlungsfähigkeit zielen (vgl. Abs. 2). Bei erheblich erschwerter Sachverhaltsaufklärung, die nach dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X grundsätzlich dem Leistungsträger obliegt, infolge fehlender Mitwirkung braucht der Leistungsträger seinerseits keine weiteren Ermittlungen mehr anzustellen, sondern kann die begehrte Leistung ganz oder teilweise verweigern, bis die geforderte Mitwirkungshandlung nachgeholt worden ist. Diese Befugnis steht dem Leistungsträger jedoch nur zu, soweit die Voraussetzungen für die Leistung nicht schon anderweitig nachgewiesen sind. Auch muss eine Aufforderung des Leistungsträgers zur Mitwirkungshandlung, die eine Rechtsfolge nach § 66 nach sich ziehen kann, von dem Amtsermittlungsgrundsatz des § 21 SGB X gedeckt sein, damit der Antragsteller bzw. Leistungsberechtigte dazu verpflichtet werden kann, der Mitwirkungsaufforderung nachzukommen. Damit verhindert der Gesetzgeber, dass der Leistungsträger an Stelle des sich verweigernden Leistungsberechtigten dessen Pflichten erfüllen muss. A...