2.1 Anwendungsbereich der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Regelung betrifft versagte oder entzogene Leistungen, die gemäß bestandskräftigem Versagungs- oder Entziehungsbescheid nach § 66 rechtmäßig nicht erbracht worden sind. Die Leistungszahlung kann aufgenommen oder fortgesetzt werden, indem der Versagungsbescheid durch einen Bewilligungsbescheid ersetzt oder der Entziehungsbescheid aufgehoben wird. Für die Zukunft steht dem Leistungsträger kein Ermessen über die Erbringung der Leistung zu; er ist zur Bewilligung der Leistung bzw. Aufhebung des Entziehungsbescheids nach § 48 SGB X verpflichtet. Für die Vergangenheit hingegen entscheidet er nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Nachzahlung. Auf realisierte Leistungsminderungs- und Sperrzeitsachverhalte, insbesondere die Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme (§ 31 SGB II, § 159 SGB III), ist § 67 nicht anzuwenden. Der insoweit eingetretene neue Sachverhalt kann nicht mehr rückwirkend korrigiert werden; im Übrigen sind im Rahmen der Sperrzeitregelungen des SGB III bereits Gesichtspunkte der Zumutbarkeit, eines wichtigen Grundes für das Verhalten und ggf. Härtegesichtspunkte in die Entscheidung eingeflossen. In nicht bestandskräftigen Fällen entfällt der Versagungs-/Entziehungsbescheid durch die Nachholung der Mitwirkung, er wird quasi gegenstandslos.

 

Rz. 4

Eine Anwendung des § 67 bedeutet, dass ein ausgesetztes Verwaltungsverfahren wieder aufgenommen und im Regelfall einer Entscheidung zugeführt wird. Das setzt voraus, dass der zuständige Leistungsträger nicht zwischenzeitlich entweder wegen des Zwangs zur Bescheidung eines Antrags oder zum Zweck der Zielerreichung bei vorgegebenen bzw. vereinbarten behördeninternen Zielen über die Dauer der Bearbeitungszeit von Anträgen (vgl. z. B. § 48 SGB II) endgültig entschieden hat. In diesen Fällen wird der zuständige Leistungsträger, ohne einen Antrag nach § 44 SGB X abzuwarten, die Versagung bzw. Entziehung wie auch die ablehnende oder aufhebende Entscheidung durch eine Bewilligung oder Weiterbewilligung ersetzen.

 

Rz. 5

§ 67 ist grundsätzlich unabhängig davon zu prüfen, ob eine laufende oder einmalige Sozialleistung oder aber eine Sach- oder Geldleistung nicht erbracht worden ist. Ein neuer Leistungsantrag ist nicht erforderlich (so schon BSG, Urteil v. 28.2.1990, 10 RKg 17/89).

 

Rz. 6

§ 67 ist nicht anwendbar, wenn eine beantragte Leistung von vornherein, ohne § 66, abgelehnt worden ist. Das gilt im Übrigen bei jeder Fallgestaltung, bei der keine Versagung/Entziehung vorliegt. Die Behandlung solcher Fälle richtet sich nach § 44 SGB X. Ist ein Versagungs- oder Entziehungsbescheid noch nicht rechtskräftig, kann der Betroffene gegen ihn vorgehen; es bedarf dann keines Verfahrens nach § 67, obwohl weitgehend dieselben Arbeitsschritte zu leisten sind.

 

Rz. 6a

Die Nachholung der Mitwirkung i. S. v. § 67 im Klageverfahren begründet einen Anspruch nach § 67, berührt aber nicht die Rechtmäßigkeit des zuvor ergangenen Versagungsbescheides. Gegenstand einer Klage gegen einen Versagungsbescheid nach § 66 ist nicht der materielle Anspruch auf eine Leistung, sondern der Streit über Rechte und Pflichten der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Sind weitere Ermittlungen erforderlich, ist daneben eine Leistungsklage nicht zulässig (Bay. LSG, Beschluss v. 28.7.2015, L 16 AS 118/15).

2.2 Nachholung der Mitwirkung

 

Rz. 7

Die Aufnahme der Leistungserbringung setzt voraus, dass die unterbliebene Mitwirkung des Leistungsberechtigten tatsächlich nachgeholt worden ist. Die Bereitschaft zur Mitwirkung ist allein nicht ausreichend, etwa eine Erklärung, zukünftig alle benötigten Unterlagen rechtzeitig einreichen bzw. vorlegen zu wollen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 21.1.2022, L 21 AS 559/21). Dies geschieht im Regelfall dadurch, dass die zunächst unterlassene oder unzureichend getätigte Mitwirkungshandlung nunmehr so durchgeführt wird, dass dem berechtigten Verlangen des Leistungsträgers Genüge getan ist. Dies muss nicht zwingend durch den Leistungsberechtigten selbst geschehen. Es genügt, wenn eine dritte Person, z. B. eine vom Leistungsberechtigten beauftragte Person die Mitwirkungspflichten erfüllt, es sei denn, es handelt sich um eine persönliche Obliegenheit, die nur durch den Leistungsberechtigten selbst erfüllt werden kann. § 67 hat nicht zum Ziel, einen nach § 66 vernichteten Anspruch zu bestätigen, sondern vielmehr den Versagungs- bzw. Aufhebungsbescheid, der durch die Nachholung der Mitwirkung rechtswidrig geworden ist, entsprechend dem gesetzlichen Ziel, durch § 66 der Mitwirkungspflicht Nachdruck zu verleihen, im Rahmen einer Ermessensentscheidung im gebotenen Umfang durch einen Bewilligungsbescheid zu ersetzen. Schließlich genügt es für die Anwendung des § 67 auch, wenn der Leistungsträger ohne eine gezielte und gewollte Mitwirkungshandlung die benötigten Kenntnisse erlangt (sog. anderweitige Erledigung geforderter Mitwirkung). Selbst dann, wenn der Leistungsträger die benötigten Erkenntnisse bewusst oder unbewusst selbst ermittelt und festgestellt hat, gilt die unterlassene Mitwirkung als nachgeh...

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