Rz. 16
Bei den Förderangeboten besteht zunächst einmal eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Jugendhilfeträgers, nicht aber ein subjektiv-öffentliches Recht des Bürgers. Die Verpflichtung des Trägers wird über die in § 79 Abs. 1 und 2 geregelte Gesamtverantwortung und die Gewährleistungspflicht des Trägers verdichtet. Nach § 79 Abs. 2 sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB VIII erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Hierzu zählen insbesondere auch Pfleger, Vormünder und Pflegepersonen. Dem Bürger steht hinsichtlich der Förderangebote indes ein auf das Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG gestütztes einklagbares Teilhaberecht zu. Daraus kann sich freilich kein Anspruch auf das Zurverfügungstellen einer bestimmten Maßnahme ergeben. Bei den mehr oder weniger individualisierten Angeboten und Leistungen nach dem SGB VIII ist jeweils zu prüfen, inwieweit diese nicht bloß eine Reflexwirkung in Bezug auf den begünstigten Personenkreis entfalten, sondern darüber hinaus dem Schutz und dem Interesse des Einzelnen zu dienen bestimmt sind (Schutznormtheorie). Die Diktion des Gesetzes ist ambivalent. So normiert § 24 Abs. 1 einen klar und eindeutig formulierten Rechtsanspruch der dreijährigen Kinder auf den Besuch eines Kindergartens, obwohl in Abs. 2 Nr. 3 lediglich von einem Angebot die Rede ist.
Rz. 17
Je nachdem, ob und inwieweit die jeweilige Vorschrift dem Jugendhilfeträger Ermessen einräumt, besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die gesetzliche Geld-, Sach- oder Dienstleistung (§ 38 SGB I) oder ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (§ 39 SGB I). Ebenso wie in anderen Rechtsbereichen geht aus der Formulierung des Gesetzeswortlauts als Muss-, Soll- oder Kann-Vorschrift hervor, ob und inwieweit dem Verwaltungsträger Ermessen eingeräumt wird. Muss-Vorschriften normieren einen Rechtsanspruch, über den eine gebundene Verwaltungsentscheidung zu ergehen hat, d. h., dem Jugendhilfeträger ist kein Ermessen eingeräumt. Soll-Vorschriften verpflichten den Jugendhilfeträger, im Regelfall so zu verfahren, wie es der Gesetzeswortlaut vorsieht. Nur in atypischen Fällen, d. h. in Ausnahmesachlagen, darf er davon abweichen (BVerwG, Urteil v. 2.7.1992, 5 C 39/90; BVerwG, Urteil v. 17.8.1978, V C 33.77). Die haushaltsmäßige Situation des Trägers begründet grundsätzlich keinen atypischen Fall (BVerwG, Urteil v. 12.4.1984, 5 C 95/80; BVerfG, Beschluss v. 30.1.1985, 1 BvR 876/84). Kann-Vorschriften räumen dem Jugendhilfeträger einen Ermessensspielraum ein. Er hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Gemäß § 39 Abs. 1 SGB I hat der Leistungsträger sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Daran wird bereits deutlich, dass die Ermessensentscheidung daraufhin zu überprüfen ist, ob das Ermessen überhaupt ausgeübt wurde, ob die richtigen Ermessenserwägungen zugrunde gelegt wurden und ob die Grenzen des eingeräumten Ermessens beachtet worden sind. Im Einzelfall kann das Ermessen auf Null reduziert sein, so dass nur noch eine einzige ermessensgerechte Entscheidung in Betracht kommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und wenn nur diese eine Entscheidungsalternative in der Lage wäre, diese Gefährdung zu beseitigen.