0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 19.12.2019 (BGBl. I S. 2652) zum 1.1.2024 in Kraft getreten. Bis zum 31.12.2023 gab es keine Vorgängerregelung.
1 Allgemeines
Rz. 2
Das Fallmanagement wurde mit dem SGB XIV als neue Leistung der Sozialen Entschädigung eingeführt. Das Fallmanagement ist eine eigenständige Sachleistung, ist also nicht identisch mit der von den Sozialleistungsträgern nach den §§ 13 bis 15 SGB I zu erbringenden Aufklärung, Beratung und Auskunft (BT-Drs. 19/13824 S. 183). Das Fallmanagement des SGB XIV soll die Leistungsberechtigten im Falle eines schädigenden Ereignisses aktivierend und koordinierend durch das Antrags- und Leistungsverfahren begleiten (Knickrehm/Mushoff/Schmidt, Das neue Soziale Entschädigungsrecht – SGB XIV, Rz. 94; Tietz, Fachbeitrag A21-2022, unter www.reha-recht.de). Fallmanagement bezeichnet die unmittelbare Einzelarbeit, die im persönlichen Dialog mit einer unterstützungsbedürftigen Person stattfindet, und zwar an der konkreten Situation, in der sich die unterstützungsbedürftige Person befindet (so Seel, SRa 2020, 217).
Rz. 3
Die Durchführung des SGB XIV einschließlich der Schaffung der notwendigen Verwaltungsstrukturen, wozu auch das Fallmanagement gehört, fällt in die alleinige Zuständigkeit der Länder. Das Fallmanagement kann vom Träger der Sozialen Entschädigung direkt geleistet werden. Es ist den Trägern aber gemäß § 39 auch erlaubt, im Rahmen von Beratungs- und Begleitangeboten Kooperationsvereinbarungen mit Organisationen abzuschließen, die eine umfassende qualitätsgesicherte Beratung und Begleitung der Berechtigten sicherstellen.
Rz. 4
In Abs. 1 ist der Zweck des Fallmanagements dargestellt. Abs. 2 stellt klar, dass die Leistungen des Fallmanagements nur mit Einwilligung des Berechtigten erbracht werden. Zu Beweiszwecken ist die Einwilligung des Berechtigten zu dokumentieren. Das Fallmanagement steht im Ermessen des Leistungsträgers. Dies stellt Abs. 3 durch die Formulierung "können" klar. Abs. 4 ist eine sog. Soll-Vorschrift. Danach soll das Fallmanagement für die dort genannten Fallkonstellationen erbracht werden. Abs. 4 reduziert somit das Ermessen des Leistungsträgers. Abs. 5 beschreibt ohne abschließende Aufzählung die möglichen Inhalte des Fallmanagements. Nach Abs. 6 kann das Fallmanagement die Kontaktaufnahme mit möglichen berechtigten Personen umfassen. Damit sollen Personen, die bislang keine Leistungen des Fallmanagements in Anspruch genommen haben, auf das Leistungsangebot des Fallmanagements hingewiesen werden. Schließlich beschreibt Abs. 7 den Nachrang und die Ergänzungsfunktion von Leistungen des Fallmanagements gegenüber dem Teilhabeplanverfahren nach dem SGB IX.
2 Rechtspraxis
2.1 Begriff und Inhalt des Fallmanagements (Abs. 1)
Rz. 5
Nach der Definition in Abs. 1 soll das Fallmanagement Personen, die Ansprüche nach diesem Buch haben oder haben könnten, von behördlicher Seite durch das Antragsverfahren begleiten und ihnen helfen, auch darüber hinaus einen einfachen Zugang zu anderen Sozialleistungen zu erhalten, die den Zielen der Selbstbestimmung und gleichwertigen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dienen.
Rz. 6
Nach Abs. 1 werden beim Fallmanagement die Berechtigten von einer Fallmanagerin oder einem Fallmanager aktivierend und kooperierend durch das Antragsverfahren und das Leistungsverfahren begleitetet. Das Fallmanagement wird in enger Kommunikation mit den Leistungsberechtigten erbracht. Das Fallmanagement kann von derselben Behörde durchgeführt werden, die auch die Anträge bearbeitet, aber auch von einer anderen Stelle, die zu den in dieser Norm beschriebenen Aufgaben (z. B. Kommunikation mit anderen Sozialleistungsträgern und Teilnahme an Fallkonferenzen im Namen des Trägers der Sozialen Entschädigung) berechtigt ist (BT-Drs. 19/13824 S. 183).
Rz. 7
Grundsätzlich soll der berechtigten Person ein Fallmanager zugeordnet werden. Ein einklagbarer Anspruch auf einen bestimmten Fallmanager besteht nicht (Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 30 Rz. 11). Die Zuweisung eines bestimmten Fallmanagers zu dem Berechtigten oder die Zuweisung eines Fallmanagers eines bestimmten Geschlechts, einer bestimmten Ausbildung oder Nationalität steht somit im Ermessen der zuständigen Behörde. Gleichwohl dürfte es im Sinne einer erfolgreichen Durchführung des Fallmanagementverfahrens seitens der Behörde geboten sein, im Rahmen des Zumutbaren auf Anregungen einzugehen. Das Gesetz stellt keine Qualifikationsanforderungen an die Person des Fallmanagers (kritisch dazu die Stellungnahme des Betroffenenrats zum Referentenentwurf vom 26.11.2018, S. 18).
2.1.1 Berechtigte Personen
Rz. 8
Zum Kreis der Personen, die ein Fallmanagement erhalten können, gehören alle Berechtigten nach § 2, also neben den Geschädigten auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende. Bei einigen dieser Personengruppen kommen weitere Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts über die Schnellen Hilfen hinaus nicht in Betracht. Das Fallmanagement soll sie aber dabei unterstützen, andere Sozialleistungen, die sie insbesondere wegen des schädigend...