0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 19.12.2019 (BGBl. I S. 2652) zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Eine vergleichbare Regelung bestand bisher nicht.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift beschreibt die in einer Traumaambulanz zu erbringende Leistung und deren Zweck. Seit Erlass des OEG im Jahre 1976 wurden viele Erkenntnisse im Bereich der psychischen Folgen von schädigenden Ereignissen, insbesondere Gewalttaten, gewonnen. Auch wenn die körperlichen Folgen der Tat längst verheilt sind, können die Betroffenen noch unter den psychischen Auswirkungen leiden, etwa in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung. Vor diesem Hintergrund haben die Regierungsfraktionen im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode beschlossen, dass Betroffene schnellen und unbürokratischen Zugang zu Sofortmaßnahmen, etwa Traumaambulanzen, erhalten sollen (BT-Drs. 19/13824 S. 184).

 

Rz. 3

In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/13824 S. 185) heißt es dazu:

Zitat

Den positiven Effekt einer Frühintervention in einer Traumaambulanz bestätigte die bis Ende 2014 vom Universitätsklinikum Ulm im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführte Studie "Verbesserter Zugang zu Traumaambulanzen durch aktiven Einbezug der Versorgungsbehörden sowie primärer Anlaufstellen und Evaluation der Effektivität von Sofortinterventionen" (TRAVESI). Die Ergebnisse der Studie wurden online publiziert (Miriam Rassenhofer et al., "Effektivität der Frühintervention in Traumaambulanzen", Psychotherapeut vom 11. Dezember 2015, DOI 10.1007/s00278-015-0073-0). Die Studie hat ergeben, dass nach der Frühintervention die Besserung der Traumabelastung hochsignifikant und klinisch bedeutsam war. Die depressive Symptomatik hat sich ebenfalls signifikant gebessert. Eine vergleichbare Verbesserung gab es in der Kontrollgruppe nicht, obwohl die Mehrheit der Betroffenen sich dort ebenfalls in Behandlung begeben hatte, jedoch im Rahmen der Regelversorgung. Diese war oft mit den üblichen Wartezeiten verbunden und die Therapeuten verfügten über die üblich vorhandene Traumaexpertise. Eine statistisch signifikante, im Bereich der posttraumatischen Stresssymptomatik sogar klinisch relevante Reduktion der Belastungen gab es nur nach Inanspruchnahme der Leistungen der Traumaambulanz. Im Bereich der subjektiv empfundenen Sicherheit zeigte sich nach der Inanspruchnahme der Traumaambulanz eine positive Tendenz, während die diesbezüglichen Werte in den Kontrollgruppen gleich blieben. Für eine Besserung des Befindens durch die Inanspruchnahme der Traumaambulanzen spricht zudem, dass die Mehrzahl der dort behandelten Studienteilnehmer danach keine weiterführende Behandlung in Anspruch genommen hat. Nach alledem hat die TRAVESI-Studie ergeben, dass durch eine Frühintervention in einer Traumaambulanz die Belastung nach potenziell traumatischen Erfahrungen reduziert wird, zudem kann hierdurch die Chronifizierung der posttraumatischen Stresssymptomatik verhindert werden. Die schnelle, niedrigschwellige Intervention durch traumatologisch spezialisierte Mitarbeiter einer Traumaambulanz ist der Behandlung im Rahmen der Regelversorgung überlegen.

2 Rechtspraxis

 

Rz. 4

Traumaambulanzen bieten Opfern körperlicher, psychischer und sexueller Gewalt schnelle, frühzeitige und unbürokratische Beratung und psychologische Hilfe an, um sie bei der Bewältigung der Tatfolgen zu unterstützen. Sowohl die Geschädigten selbst als auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende können sich an die Traumaambulanzen wenden und erhalten die erforderliche Unterstützung. Ziel der Traumaambulanz ist es, durch frühzeitige therapeutische Unterstützung den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung nach einer Gewalttat zu verhindern. Durch die unbürokratische und schnelle psychologische Hilfe sollen lange Wartezeiten bei Psychotherapeuten und Ärzten vermieden werden.

 

Rz. 5

Die Voraussetzungen der Inanspruchnahme sind nicht in § 31, sondern in den nachfolgenden Vorschriften geregelt:

  • Anspruchsberechtigt sind sowohl die Geschädigten (§ 32 Abs. 1) selbst als auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende (§ 32 Abs. 2).
  • Die erste Sitzung muss innerhalb von 12 Monaten nach dem schädigenden Ereignis oder nach der Kenntnisnahme über die Gewalttat erfolgen (§ 32).
  • Wenn ein mehr als 12 Monate zurückliegendes schädigendes Ereignis zu akuten psychischen Belastungen führt, erhalten die Betroffenen ebenfalls in den Traumaambulanzen Hilfe, wenn die erste Sitzung innerhalb von 12 Monaten nach Auftreten der akuten Belastung erfolgt (§ 33).
  • Die psychotherapeutische Intervention kann nur in Traumaambulanzen erbracht werden, mit denen die Träger der Sozialen Entschädigung eine Vereinbarung geschlossen haben (§ 37).
  • Besteht nach der Akutbetreuung in der Traumaambulanz weiterhin ein psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, verweist der Träger der Sozialen Entschädigung auf weitere psychotherapeutische Angebote, z. B. Psychotherapie (§ 35).
  • Eine Verurteilung des Täters ist ...

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