Rz. 17
Nach Abs. 3 Satz 1 haben Geschädigte sowie Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende Anspruch auf bis zu 10 weitere Sitzungen, wenn diese erforderlich sind und ein Anspruch auf Leistungen der Traumaambulanz festgestellt worden ist. Die Erforderlichkeit weitere Sitzungen ist dann gegeben, wenn im Rahmen der ersten 5 bzw. 8 (bei Kindern und Jugendlichen) Sitzungen eine weitere Behandlungsbedürftigkeit festgestellt wurde. Eine weitere Behandlungsbedürftigkeit liegt auch vor, um den Eintritt einer psychischen Gesundheitsstörung oder deren Chronifizierung zu verhindern (§ 31). Die Erforderlichkeit i. S. v. Satz 1 ist auch dann gegeben, wenn bereits bei Behandlungsbeginn feststeht oder wahrscheinlich ist, dass die 15 bzw. 18 Sitzungen nicht ausreichen werden, um einen Behandlungserfolg herzustellen (ebenso: Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 34 Rz. 21). Die weiteren 10 Sitzungen sind die Höchstzahl. Diese kann auch unterschritten werden, wenn weniger Sitzungen erforderlich sind, um den Behandlungserfolg sicherzustellen.
Rz. 18
Nach Baumeister ist bei jeder einzelnen nachfolgenden Sitzung jeweils die Erforderlichkeit, also die weitere Behandlungsbedürftigkeit, festzustellen (so wohl Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 34 Rz. 32). Dieser Auffassung ist wohl auch der Gesetzgeber, der von bis zu 10 weiteren Sitzungen spricht. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen nach den probatorischen Sitzungen feststeht, dass ein Behandlungserfolg eine Reihe weitere Sitzungen voraussetzt. Hier wäre es ein unnötiger Formalismus, die weitere Behandlungsbedürftigkeit nach jeder Sitzung festzustellen. Einigkeit besteht aber insoweit, dass für die möglichen 10 weiteren Sitzungen nicht jeweils ein Antrag zu stellen ist, sondern nur eine Anzeige des Begehrens der Inanspruchnahme weiterer Sitzungen zu erfolgen hat (so auch Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 34 Rz. 35).
Rz. 19
Weitere Voraussetzungen für den Anspruch auf die weiteren Sitzungen ist, dass ein Anspruch von der Traumaambulanz festgestellt worden ist. Die Feststellung erfolgt durch begünstigenden Verwaltungsakt, der auch im Erleichterten Verfahren nach § 115 Abs. 1 ergehen kann (Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 34 Rz. 23). Dieser muss nicht vor der Inanspruchnahme der 10 weiteren Sitzungen zugegangen sein.
Rz. 20
Der Anspruch (zur Unterscheidung zwischen Anspruch in Anspruchsfiktion vgl. Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 34 Rz. 35 ff.) auf 10 weitere Sitzungen besteht nach Abs. 3 Satz 2 auch dann, wenn die zuständige Behörde 2 Wochen nach Vorliegen des Antrags keine Entscheidung getroffen hat und die Traumaambulanz die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung der weiteren Sitzungen vorab angezeigt hat. Ziel dieser Regelung ist eine Beschleunigung des Verfahrens und die Sicherstellung der nahtlosen therapeutischen Versorgung (Schaumberg, in: jurisPK, SGB XIV, § 34 Rz. 44; Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 34 Rz. 36). Satz 2 enthält einen Anspruch. Danach besteht der Anspruch auf 10 weitere Sitzung unter 2 Voraussetzungen:
- Die zuständige Behörde hat 2 Wochen nach Vorliegen des Antrags keine Entscheidung getroffen und
- die Traumaambulanz hat die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung der weiteren Sitzung vorab mitgeteilt.
Rz. 21
Voraussetzung für den Anspruch ist ein entsprechender Antrag des Leistungsberechtigten. Gemeint könnte damit der Folgeantrag nach den ersten 5 bzw. 8 Sitzungen sein (so wohl Schaumberg, in: jurisPK-SGB XIV, § 34 Rz. 45). Nach anderer Auffassung bedarf es nur eines Antrages, der spätestens nach der 2. Sitzung zu stellen ist (Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 34 Rz. 39 ff.). Begründet wird dies damit, dass nach § 34 ein Gesamtanspruch auf 15 bzw. 18 Sitzungen besteht, der durch einen einheitlichen Antrag begründet werden kann. Nach Auffassung des Gesetzgebers bedarf es für die weiteren Sitzungen eines gesonderten Antrags (vgl. BR-Drs. 351/1/19 S. 1, sog. Strichdrucksache mit den Vorschlägen des Bundesrates). Dieser Auffassung wird hier gefolgt (ebenso: Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 34 Rz. 27). Wird ein entsprechender Antrag nicht gestellt, kommt ein Anspruch nach Abs. 3 Satz 2 nicht in Betracht.
Rz. 22
Der Antrag nach Abs. 3 Satz 2 muss bei der zuständigen Behörde gestellt worden sein. Der Eingang eines Antrags bei einer nicht zuständigen Behörde setzt die 2-Wochen-Frist nicht in Gang. Die Vorschrift regelt keine Mindest- oder Höchstfristen des Antrags. Der Antrag könnte insoweit auch bereits vor Beginn der ersten Sitzung, während der erst 5 bzw. 8 Sitzungen oder danach gestellt werden. In der Literatur wird versucht, den Anwendungsbereich so zu reduzieren, dass der Eingang des Antrags die 2-Wochen-Frist nur dann in Gang setzt, wenn die Traumaambulanz die dringende Behandlungsbedürftigkeit sowie die geplante Durchführung weiteren Sitzungen angezeigt hat (Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 34 Rz. 30). Diese Auslegung überzeugt auch vor dem Hintergrund des Wortlauts der Vorschrift, die zum einen "auf bi...