0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 19.12.2019 (BGBl. I S. 2652) zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Eine Vorgängervorschrift existierte nicht. Durch Art. 10 Nr. 2 des Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze v. 28.12.2023 (BGBl. I Nr. 408) ist der Verweis in § 35 Abs. 2 Satz 2 von "§ 39" auf "§ 37" mit Wirkung zum 1.1.2024 geändert worden. Dabei handelte es sich um die Korrektur eines fehlerhaften Verweises.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Regelung in Abs. 1 soll sicherstellen, dass in den Fällen, in denen nach der Betreuung in der Traumaambulanz weiterer psychologischer Betreuungsbedarf besteht, die Berechtigten unmittelbar im Anschluss entsprechende Angebote außerhalb der Traumaambulanz erhalten können. Lange Wartezeiten sollen verhindert werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass in der Traumaambulanz erzielte Erfolge zunichtegemacht werden (BT-Drs. 19/13824 S. 186). Abs. 2 begründet eine Mitteilungspflicht der Traumaambulanz. Diese hat der zuständigen Behörde einen nach der Betreuung in der Traumaambulanz noch bestehenden weiteren psychotherapeutischen Behandlungsbedarf mitzuteilen (Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 35 Rz. 13).
2 Rechtspraxis
2.1 Weitere psychotherapeutische Angebote (Abs. 1)
Rz. 3
Besteht bei Personen, die die Betreuung in der Traumaambulanz in Anspruch nehmen, auch nach dieser Betreuung weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, so verweist der Träger der Sozialen Entschädigung sie auf weitere psychotherapeutische Angebote. Diese Verweisung ist eine Rechtspflicht (Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 17). In Abs. 1 ist kein Zeitpunkt genannt, in dem der Hinweis an die berechtigte Person zu geben ist. Im Zusammenspiel mit Abs. 2 Satz 1, wonach die Traumaambulanz der zuständigen Behörde den weiteren Behandlungsbedarf so frühzeitig wie möglich mitzuteilen hat, ergibt sich, dass dieser Beschleunigungsgrundsatz auch für Abs. 1 Anwendung finden muss. Ansonsten wäre eine zeitnahe weitere Behandlung nicht sichergestellt. Demnach hat die zuständige Behörde die Hinweispflicht unverzüglich zu erfüllen (Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 22).
Rz. 4
Voraussetzung für die Verweisungspflicht des Trägers der Sozialen Entschädigung ist, dass nach der Betreuung in der Traumaambulanz weitere psychotherapeutischer Handlungsbedarf besteht. Dieser weitere psychotherapeutische Handlungsbedarf ist von der Traumaambulanz festzustellen. Die Hinweispflicht bezieht sich auf Personen, die aktuell in der Traumaambulanz psychotherapeutisch betreut werden. Die Hinweispflicht gilt aber auch nach abgeschlossener Behandlung in der Traumaambulanz, wenn sich daran anschließend ein weiterer psychotherapeutischer Behandlungsbedarf herausstellt (ebenso: Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 13).
Rz. 5
Der Träger der Sozialen Entschädigung bzw. die zuständige Behörde kann seiner Verweisungspflicht an den Geschädigten, Angehörigen, Hinterbliebenen oder Nahestehenden nur nachkommen, wenn er seitens der Traumaambulanz über den weiteren psychotherapeutischen Handlungsbedarf informiert worden ist. Fehlt eine entsprechende Information durch die Traumaambulanz, ist der Träger der Sozialen Entschädigung nicht verpflichtet, eine eigene Feststellung zu treffen, ob weiterer psychotherapeutischer Handlungsbedarf besteht (Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 11 f.).
Rz. 6
Nach dem Wortlaut der Vorschrift unterliegt der Träger der Sozialen Entschädigung der Verweisungspflicht. Träger der Sozialen Entschädigung sind nach § 111 Satz 1 die Länder. Sachlich zuständig sind aber nach § 112 Satz 1 die nach Landesrecht bestimmten Behörden. Verweisungspflichtig sind demnach die nach Landesrecht bestimmten Behörden, wie sich auch aus Abs. 2 Satz 2 ergibt, wonach die Traumaambulanz verpflichtet ist, der zuständigen Behörde den weiteren Bedarf so frühzeitig wie möglich anzuzeigen (Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 35 Rz. 9). Es ist daher von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers auszugehen (so auch: Schaumberg, jurisPK-SGB XIV, § 35 Rz. 14; Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 20).
Rz. 7
Nach Abs. 1 unterstützen die Träger der Sozialen Entschädigung Berechtigte, die über die Betreuung in der Traumaambulanz hinaus psychotherapeutischen Behandlungsbedarf haben, dabei, möglichst zügig die Leistungen nach Kapitel 5 zu erhalten. In diesen Fällen sollen den Berechtigten unmittelbar im Anschluss entsprechende Angebote außerhalb der Traumaambulanz zur Verfügung stehen (BT-Drs. 19/13824 S. 186).
Rz. 8
Unter "weiteren psychotherapeutischen Angeboten" sind sowohl andere Anbieter psychotherapeutischer Leistungen als auch der Therapeut der Traumaambulanz zu verstehen. Jedenfalls schließt die Gesetzesformulierung nicht aus, dass dieselbe Person, die die Leistungen der Traumaambulanz erbracht hat, auch die weitere therapeutische Behandlung übernimmt (so Bienert, in: Schmidt, SGB XIV, § 35 Rz. 11; Baumeister, in: BeckOK, SGB XIV, § 35 Rz. 24). Weitere therapeutische Angebote sind solche, die im Rahmen der...