Zusammenfassung
Abiturienten in einer kurzfristigen Beschäftigung gelten als günstige Aushilfskraft, wenn sie nach dem Abitur ein Studium anstreben. Doch heute ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die jungen Leute unmittelbar im Anschluss an das Abitur ein Studium aufnehmen. Viele wollen zunächst ein paar Monate im Ausland verbringen. In einer befristeten Beschäftigung wollen sie dafür ihre Reisekasse aufbessern. Für Arbeitgeber stellt sich in diesen Fällen jedoch die Frage: Wie ist die kurzfristige Beschäftigung des Abiturienten versicherungsrechtlich einzustufen? Ist die Berufsmäßigkeit auszuschließen, auch wenn das Studium nicht schnellstmöglich aufgenommen wird? Wie viel Zeit darf zwischen dem Abitur und der Aufnahme des Studiums liegen und wie verhält es sich, wenn der Abiturient sich zwar auf einen Studienplatz beworben, aber noch keine Zusage hat?
Arbeitsrecht
1 Grundsätzliche Geltung der Vorschriften für Arbeitnehmer
Grundsätzlich gelten Abiturienten als ganz normale Arbeitnehmer, wenn sie nach dem Schulabschluss eine weisungsgebundene Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit aufnehmen. Sonderregelungen gelten nur dann, wenn es sich bei dieser Tätigkeit um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes handelt. Typische arbeitsrechtliche Gestaltungsformen im unmittelbaren Anschluss an den Schulabschluss sind befristete Arbeitsverträge (z. B. als Zweckbefristung bis zur Aufnahme eines Studiums oder als schlichte Zeitbefristung für die Dauer von einigen Monaten), geringfügige Beschäftigungen oder Teilzeitbeschäftigungen mit gegenüber der Vollzeitbeschäftigung reduzierter Wochenstundenzahl. Möglich ist auch die Vereinbarung eines Praktikums oder einer freien Mitarbeit. Solche, vom Arbeitsvertrag abweichenden, Vereinbarungen sind allerdings nicht geeignet, das Arbeitsrecht zu umgehen, wenn sich die Tätigkeit nach ihrer rein tatsächlichen Ausgestaltung doch als Arbeitsverhältnis qualifizieren lässt.
2 Abgrenzung zwischen Arbeitsverhältnis und Praktikum
Sofern ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die im Betrieb oder Unternehmen bestehenden Entgeltgrundsätze anzuwenden. Dies gilt insbesondere für die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohns nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Eine Ausnahme gilt nur, sofern sich die Tätigkeit als Praktikum im Sinne der Legaldefinition des § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG darstellt. Ein Praktikum liegt danach vor, wenn es sich um eine von vornherein begrenzte praktische Tätigkeit berufsvorbereitender Art handelt. In diesem Fall kann der Arbeitgeber ein Praktikum – ohne Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns – insbesondere als Orientierungspraktikum gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG vor einer Hochschul- oder sonstigen Ausbildung vereinbaren. Soweit der Abiturient noch minderjährig und ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist, ist der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 MiLoG ebenfalls von der Zahlung des Mindestlohns befreit – der minderjährige Abiturient gilt nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Mindestlohngesetzes.
3 Besonderheiten bei kurzfristiger Beschäftigung
Die – unter Umständen kurze – zeitliche Dauer und der – unter Umständen geringe – Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit ändern allerdings an der grundsätzlichen Qualifikation als Arbeitsverhältnis nichts, können aber dazu führen, dass verschiedene arbeitsrechtliche Regelungen keine Anwendung auf das Arbeitsverhältnis finden. So sind wichtige gesetzliche Regelungen an die Erfüllung einer Wartezeit geknüpft (z. B. Kündigungsschutzgesetz, Bundesurlaubsgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz). Auch bei einer kurzzeitigen Beschäftigung ist der Arbeitgeber zur Erteilung eines schriftlichen Nachweises der wesentlichen Arbeitsbedingungen nach dem Nachweisgesetz verpflichtet.
Sozialversicherung
1 Berufsmäßigkeit der kurzfristigen Beschäftigung
Eine kurzfristige Beschäftigung ist nicht geringfügig und damit auch nicht versicherungsfrei, wenn sie berufsmäßig ausgeübt wird. Berufsmäßig ist nach der BSG-Rechtsprechung eine Beschäftigung, die für den Arbeitnehmer nicht von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Der Arbeitnehmer bestreitet mit dem Entgelt also seinen Lebensunterhalt überwiegend oder doch in einem solchen Umfang, dass seine wirtschaftliche Situation zu einem erheblichen Teil auf dieser Beschäftigung beruht. Beträgt das Arbeitsentgelt nicht mehr als die Geringfügigkeitsgrenze i. H. v. 538 EUR im Monat, ist eine Prüfung der Berufsmäßigkeit nicht erforderlich. Wird die Beschäftigung für einen kürzeren Zeitraum als einen Monat ausgeübt, ist im jeweiligen Monat dennoc...