Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten bei der Einkommensberechnung zur Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1) In den sozialhilferechtlichen Regelsätzen ist für die Betreuunng von Kindern in Kindertagesstätten lediglich deshalb kein Betrag hinterlegt, weil gem. § 90 Abs. 3 SGB VIII für Sozialhilfeempfänger und Leistungsempfänger nach dem SGB II die Kinderbetreuung regelmäßig kostenfrei ist. Für Nichtleistungsempfänger muss dies im Rahmen der Prozesskostenhilfe aber dazu führen, dass notwenige Kinderbetreuungskosten als "Mehrbedarf" gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO einkommensmindernd berücksichtigt werden können.
2) Die Kinderbetreuungskosten sind dann einkommensmindernd zu berücksichtigen, wenn ein Betreuungsanspruch oder eine Förderungsfähigkeit für die Betreuung nach § 24 SGB VIII besteht.
3) Im Rahmen der Ganztagesbetreuung anfallende Kosten für die Teilnahme an einer gemeinsamen Mittagsverpflegung sind ebenfalls als Mehrbedarf einkommensmindernd zu berücksichtigen, wobei gem. § 9 RBEG ein Eigenanteil von je 1,00 € je Mittagessen von den Kosten abzuziehen ist.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 Buchst. b), Nr. 4; SGB II § 20; SGB III § 90 Abs. 3; SGB VIII § 24; SGB VII §§ 27a, 28; RBEG § 9
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Entscheidung vom 17.05.2013; Aktenzeichen 2 Ca 121/13) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 17.05.2013 (2 Ca 121/13) dahingehend abgeändert, dass der Kläger im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe auf die Prozess-/Verfahrenskosten derzeit keine Zahlungen zu leisten hat.
2.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird für die Staatskasse zugelassen.
Gründe
A:
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gerichtet gegen die Anordnung einer Ratenzahlung im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe.
Dem Kläger wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 15.05.2013 Prozesskostenhilfe bewilligt für die Durchführung einer Kündigungsschutzklage. Ihm wurde Herr Rechtsanwalt M. als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. In diesem Beschluss wurde zudem angeordnet, dass der Kläger auf die Prozesskosten Monatsraten in Höhe von 60,- € zu zahlen habe. Bei der Ermittlung einer Zahlungsverpflichtung wurden Kindergartengebühren nicht berücksichtigt. Gegen diesen dem Kläger am 21.05.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde, die am 06.06.2013 beim Arbeitsgericht einging.
Der Kläger hat eine zweijährige Tochter (geb. am 27.08.2010), die den evangelischen Kindergarten in S. besucht. Das Kind wird im Kindergarten an zwei Tagen die Woche ganztags betreut und an drei Tagen halbtags. Die Ehefrau des Klägers ist erwerbstätig an zwei Tagen die Woche ganztags und an einem Tag die Woche halbtags. Die Eltern müssen für die Betreuung eine Kindergartengebühr entrichten in Höhe von 280,- €. Für das Mittagessen der Tochter im Kindergarten müssen die Eltern monatlich weitere 22,40 € entrichten.
Der Kläger meint, die Kindergartengebühren und die Kosten für die Verpflegung des Kindes im Kindergarten müssten vom Einkommen abgesetzt werden, sodass im Ergebnis kein einsetzbares Einkommen mehr verbliebe. Dem Kläger müsste deshalb ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt werden.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 07.06.2013 nicht abgeholfen mit der Begründung, Kinderbetreuungskosten seien bereits im Freibetrag für das unterhaltsberechtigte Kind enthalten. Die sofortige Beschwerde wurde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
B:
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
I.
Die sofortige Beschwerde ist gem. § 11a Abs. 3 ArbGG iVm. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 78 ArbGG iVm. §§ 569, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
II.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Es sind entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die Kindergartengebühren vom Einkommen des Klägers abzusetzen, sowie ein Teil der Verpflegungskosten, die für das Kind im Kindergarten anfallen, sodass letztlich kein im Rahmen der Prozesskostenhilfe gem. § 115 Abs. 1 ZPO einsetzbares Einkommen mehr verbleibt.
1. Bislang wurde die Absetzbarkeit von Kindergartenbeiträgen vom Einkommen in der Rechtsprechung jedenfalls dann nicht anerkannt, wenn die Kinder einen Regelkindergarten besuchten und die Gebühren die Freibeträge des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO nicht überstiegen. Argumentiert wurde bislang stets damit, dass von den sozialhilferechtlichen Regelsätzen, bzw. von den in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO erhöhten Freibeträgen der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts abgedeckt sei (BGH 05. März 2008 - XII ZR 150/05 - FamRZ 2008 1152; LAG Schleswig-Holstein 20. Okober 2009 - 3 Ta 179/09 - [...]; OLG Stuttgart 26. Oktober 2005 - 8 WF 140/05 - FamRZ 2006, 499; OLG Nürnberg 29. August 2005 - 10 UF 396/05 - FamRZ 2006, 642; OLG Sachsen-Anhalt 22. Dezember 1999 - 14 WF 53/99 - OLGR Nau...