Entscheidungsstichwort (Thema)

„1-Euro Jobber „. Rechtsbeziehungen bei Fehlen der Voraussetzungen gem. § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Vertragsverhältnis i.S.v. § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II ist auch dann nicht als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren, wenn die Voraussetzung der im öffentlichen Interesse liegenden Arbeitsangelegenheiten nicht erfüllt ist.

 

Normenkette

SGB II § 16 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 20.01.2006; Aktenzeichen 1 Ca 336/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20.01.2006 – 1 Ca 336/05 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen mit Wirkung ab dem 07.03.2005 ein Arbeitsverhältnis begründet und ein solches ggf. kraft Befristung mit dem 06.09.2005 oder aber aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung zum 30.09.2005 beendet worden ist.

Der beklagte Verein ist ein Träger der freien Wohlfahrtspflege, dem mit Bescheid der zuständigen Agentur für Arbeit K. vom 21.01.2005 (vgl. Vor.A. Bl. 49 bis 51) pauschale Förderleistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung – Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II bewilligt wurden.

Die Klägerin, geboren am …1964, mit einem GdB von 50 schwerbehindert und seinerzeit Bezieherin von ALG II, erhielt von der Agentur für Arbeit K. mit Schreiben vom 02.02.2005 die Mitteilung über eine Arbeitsstelle beim beklagten Verein, verbunden mit der Bitte, dort umgehend einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Das Schreiben, auf welches im Übrigen Bezug genommen wird (Vor.A. Bl. 38 und 61), lautet auszugsweise wie folgt:

”…

ich freue mit, Ihnen folgende Arbeitsstelle vorschlagen zu können:

Tätigkeit:

Beschäftigungsgelegenheiten für ALG II-Bezieher …

Betriebsart:

Organisationen der freien Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe

Anforderungen:

Einsatz in der mobilen Altenhilfe, Waschküche, L. Cafe, Hausmeister-service und Bautrupp, Pflege, Reinigung, Schulen, Kita …

Lohn/Gehalt:

1,00 …

Vereinbaren Sie bitte umgehend einen Vorstellungstermin. Wenden Sie sich bei obengenanntem Arbeitgeber an Frau K. … Nehmen Sie bitte dieses Schreiben zur Vorstellung mit

…”

Gleichfalls mit Datum des 02.02.2005 (vgl. Vor.A. Bl. 62) wurde der beklagte Verein von der Agentur für Arbeit K. darüber informiert, dass man die Klägerin gebeten habe, einen Vorstellungstermin zu vereinbaren.

Die Klägerin erschien am 22.02.2005 beim Beklagten zu einem entsprechenden Vorstellungsgespräch. Die Arbeitsaufnahme zum 07.03.2005 mit 20 Stunden pro Woche, befristet für die Dauer von sechs Monaten und gegen Gewährung von 2,00 Euro pro Stunde wurde vereinbart. Hierüber erhielt die Klägerin von dem Beklagten die schriftliche Mitteilung weiterer Einzelheiten „Informationen für die Beschäftigten der 2 EUR-Jobs”, Vor.A. Bl. 8 bis 10). Bei Arbeitsaufnahme am 07.03.2005 wurde der Klägerin erstmals die für sie bestimmte Tätigkeit mitgeteilt und entsprechend zugewiesen, und zwar als Reinigungskraft bei der Gebäudereinigung eines Altenheimes.

Mit Schreiben vom 06.09.2005 (vgl. ABl. 35) – zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin gegenüber dem Beklagten bereits das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses behauptet – wurde der Klägerin vom beklagten Verein mitgeteilt, dass der Einsatz der Klägerin im Rahmen von ALG II mit dem 06.09.2005 ende. Hilfsweise, zur Sicherheit, wurde eine Kündigung zum 30.09.2005 ausgesprochen.

Hiergegen hat sich die Klägerin beim Arbeitsgericht gewendet und den ungekündigten Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses der Parteien sowie die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss geltend gemacht. Hierzu hat die Klägerin bereits beim Arbeitsgericht den Standpunkt vertreten, die Voraussetzungen für eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung i. S. des 16 Abs. 3 S. 2 SGB II seien hinsichtlich der Beschäftigung der Klägerin beim beklagten Verein nicht gegeben gewesen. Die der Klägerin zugewiesene Tätigkeit sei keine im öffentlichen Interesse liegende zusätzliche Arbeit i. S. der Vorschrift. Auch fehle es an der nötigen Eingliederungsvereinbarung mit der zuständigen Arbeitsagentur gem. § 15 SGB II bzw. einem diese ggf. ersetzenden Verwaltungsakt. Zwischen den Parteien sei ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis durch entsprechende Willenserklärungen begründet worden.

Das Arbeitsgericht hat die als zulässig erachtete Klage mangels Begründetheit abgewiesen. Es komme letztlich nicht darauf an, ob die von der Klägerin verrichtete Arbeit die Merkmale der Gemeinnützigkeit und Zusätzlichkeit gem. § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II erfülle. Auch komme es nicht darauf an, ob die Klägerin mit der Agentur für Arbeit K. eine Eingliederungsvereinbarung gem. § 15 SGB II getroffen habe. Jedenfalls habe im Mittelpunkt der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung nicht die Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung gegen Zahlung eines entsprechenden Arbeitsentgelts gestanden, sondern die Schaffung einer förderungswürdigen Arbei...

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