Entscheidungsstichwort (Thema)
Verteiler Kostenrechtsprechung
Leitsatz (amtlich)
Eine Abfindung wegen Verlust des Arbeitsplatzes, die in den Grenzen der §§ 9, 10 KSchG und des § 3 Nr. 9 EStG gezahlt wird, ist kein im Prozeßkostenhilfeverfahren gem. § 115 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigendes Vermögen.
Verfahrensgang
ArbG Bremen (Beschluss vom 26.05.1988; Aktenzeichen 6 Ca 6069/88) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Bremen vom 26. Mai 1988 – 6 Ca 6069/88 – aufgehoben.
Dem Kläger wird ab dem 24. Februar 1988 für die erste Instanz einschließlich des zur Gerichtsakte geschlossenen Vergleichs, jedoch ausschließlich der Zwangsvollstreckung, Prozeßkostenhilfe ohne Ratenbestimmung bewilligt und zur Wahrnehmung der Rechte
beigeordnet.
Der Beschwerdewert wird auf DM 3.400,62 festgesetzt.
Gründe
Die an sich statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Gem. den §§ 114 ff ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die sachlichen Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes sind gem. § 11 a ArbGG erleichtert, wenn in der ersten Instanz für die Gegenseite ein Rechtsanwalt auftritt. Dies ist hier der Fall gewesen, so daß bezüglich der Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Klage die erleichterten Voraussetzungen des § 11 a ArbGG anzuwenden waren. Aus diesem Grunde war dem Kläger ein Rechtsanwalt beizuordnen.
Wegen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers war keine Ratenzahlung anzuordnen. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von DM 1.450,80 netto. Für seine beiden Kinder aus erster Ehe zahlt der Kläger insgesamt DM 450,– Unterhalt. Von seinem Einkommen sind weiterhin abzusetzen
Versicherungsbeiträge |
64,80 |
DM |
Werbungskostenpauschale |
47,– |
” |
|
111,80 |
DM. |
Es ergibt sich ein bereinigtes Einkommen des Klägers von DM 889,–. Auch unter Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens (= 600,– DM Erziehungsgeld, Wegfall Juni 1988) kommen bei einer unterhaltsberechtigten Person keine Raten in Betracht.
Eine Verpflichtung des Klägers zur Ratenzahlung ergibt sich auch nicht aus den Zahlungsbeträgen die der Kläger aufgrund des Vergleiches vom 22. März 1988 erlöst. Bei der Zahlung von DM 2.400,– handelt es sich um Erstattung von Umzugskosten und damit um kein Vermögen, sondern um Ersatz bestimmter Ausgaben.
Die dem Kläger gezahlte Abfindung in Höhe von DM 24.000,– war ebenfalls nicht heranzuziehen. In der Rechtsprechung wird die Frage, ob eine Abfindung als gem. § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzendes Vermögen anzusehen ist, kontrovers behandelt. So stehen z. B. das Landesarbeitsgericht Berlin (vgl. LAG Berlin EzA Nr. 6 zu § 115 ZPO) und das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (vgl. LAG Schleswig-Holstein LAGE Nr. 25 zu § 115 ZPO) auf dem Standpunkt, daß es sich bei einer Abfindung um einzusetzendes Vermögen handelt. Demgegenüber verneinen das Landesarbeitsgericht Bremen (vgl. LAG Bremen EzA Nr. 5 zu § 115 ZPO) und das Landesarbeitsgericht Berlin in einer anderen Entscheidung (vgl. LAG Berlin Beschl, v. 18. August 1981, Az.: 12 Sa 63/81) dies. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt vertritt zu dieser Frage eine differenzierende Meinung, wonach zwar eine Abfindung in namhafter Höhe bei der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nicht völlig unbeachtet bleiben dürfe, aber der Einsatz des Vermögens zumutbar sein müsse (vgl. LAG Frankfurt Beschluß vom 3. August 1987, Az.: 13 Ta 212/87; LAG Frankfurt Beschluß vom 15. Januar 1988, Az.: 13 Ta 28/88). Gem. § 115 Abs. 2 ZPO hat die Partei nämlich ihr Vermögen nur dann einzusetzen, soweit dies zumutbar ist.
Die erkennende Kammer vertritt die Auffassung, daß die von einem Arbeitnehmer gem. den §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG bezogene Abfindung weder im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens zu berücksichtigendes Einkommen noch Vermögen darstellt. Dies ergibt sich aus § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 Abs. 3 BSHG.
Bei der gem. den §§ 9, 10 KSchG gewährten Abfindung handelt es sich um eine Zahlung, die – ähnlich wie das Schmerzensgeld – zweckgebunden ist; sie wird deshalb teilweise auch als „soziales Schmerzensgeld” bezeichnet (vgl. Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1 3. Auflg. § 51 IX 6; Auffarth DB 1969, 528).
Die Abfindung ist kein unmittelbares Arbeitsentgelt, kein Ersatz für Arbeitsentgelt und auch kein sonstiger Schadensersatz, sondern wird lediglich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitgeber gezahlt (vgl. BAG DB 1980, 858). Die Abfindung ist eine Entschädigung dafür, daß der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verliert, obwohl ein sozial zu billigender Kündigungsgrund nicht vorliegt. Sie soll dem Arbeitnehmer einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und die damit verbundenen sozialen Einbußen gewähren. Dem Arbeitnehmer soll ermöglicht w...