Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarer Einsatz von 10% der Kündigungs- oder Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das gesetzliche Schonvermögen durch die gezahlte Abfindung überschritten wird, hat der PKH-Empfänger im Kosteninteresse grundsätzlich mit einem Betrag in Höhe von 10% des Nennwertes einer Kündigungsabfindung für die entstandenen Kosten einzustehen (gegen LAG Bremen, Bes. v. 20.07.1998 – 1 Ta 38/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 29; LAG Niedersachsen, Bes. v. 26.07.1998 – 16 Ta 143/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 56).
2. Wenn die erhaltene Abfindung zur Behebung einer akuten Notlage gebraucht wird, kann der Kostenbeitrag von 10% der Abfindungssumme reduziert oder gänzlich fallengelassen werden. Hierzu bedarf es aber entsprechender Angaben und Glaubhaftmachung durch den Antragsteller.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 2 i.V.m; BSHG § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Beschluss vom 25.02.2002; Aktenzeichen 4 Ca 7104/01) |
Tenor
Die Beschwerde … gegen den PKH-Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts … vom 25.02.2002 – 4 Ca 7104//01 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Das Arbeitsgericht … hat … zur … Kündigungsschutzverfahrens nebst Weiterbeschäftigungsklage mit Beschluß vom 25.02.2002 mit Wirkung vom 20.12.2001 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe bewilligt und … Keller aus D1xxxxxx mit der Maßgabe beigeordnet, daß der Kläger auf die Verfahrenskosten aus der Abfindung aus dem Vergleich vom 14.01.2002 einen einmaligen Betrag von 1.000,00 EUR zu zahlen hat.
Gegen diese Entscheidung hat … mit … vom 25.03.2002, bei dem Arbeitsgericht am 26.03.2002 eingegangen, Beschwerde eingelegt.
Er beruft sich darauf, daß eine Kündigungsschutzabfindung im Rahmen der Prozeßkostenhilfe weder als Einkommen noch als Vermögen zu berücksichtigen sei. Dem Arbeitnehmer solle es ermöglicht werden, die mit dem Arbeitsplatzverlust zusammenhängenden Ausgaben zu überbrücken und Nachteile auszugleichen, die der Verlust eines längerwährenden Arbeitsverhältnisses mit sich bringe. Daher sie die Abfindung auch Ausgleich für den Verlust des durch langjährige Tätigkeit erworbenen verstärkten Kündigungsschutzes. Es sei der vermögenslosen Partei gerade nicht zuzumuten, eine Abfindung als Vermögen im Rahmen der Prozeßkostenhilfe einzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, weil es dem Kläger zuzumuten sei, 10% der Abfindungssumme als Kostenbeitrag einzusetzen.
Entscheidungsgründe
II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige (sofortige) Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Daß sie nicht als sofortige Beschwerde bezeichnet worden ist, ist unschädlich. Das Rechtsmittel war entsprechend auszudeuten, ist aber in der Sache unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht gegenüber … die Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 10% der erhaltenen Abfindung gemäß § 115 Abs. 2 ZPO angeordnet.
1. Ein solcher Beitrag entspricht der ständigen Rechtsprechung der bisherigen beiden Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm (vgl. LAG Hamm v. 21.02.1989 – 7 Ta 502/88, n.v.; LAG Hamm v. 21.01.1998 – 14 Ta 158/98, n.v.), der sich die nunmehr zuständige 4. Kammer angeschlossen hat (vgl. LAG Hamm v. 24.11.2000 – 4 Ta 233/00, n.v.; LAG Hamm v. 19.04.2001 – 4 Ta 287/01, n.v.). Nach dieser Rechtsprechung stellt eine vom Arbeitnehmer im Vergleichswege erzielte Abfindung grundsätzlich einen nach § 115 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen Vermögenswert dar. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß eine Kündigungsschutzabfindung als zweckgebundenes Vermögen nicht für die Kostenerstattung zur Verfügung steht (vgl. LAG Bremen v. 20.07.1998 – 1 Ta 38/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 29; LAG Niedersachsen v. 26.07.1998 – 16 Ta 143/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 56). Diese Auffassung wird jedoch von der weit überwiegenden Mehrheit der übrigen Landesarbeitsgerichte nicht geteilt (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 24.06.1987 – 5 Ta 91/87, LAGE § 115 ZPO Nr. 25; LAG Frankfurt/Main v. 07.04.1988 – 13 Ta 28/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 28; LAG Berlin v. 05.04.1989 – 9 Ta 6/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 34; LAG Nürnberg v. 24.08.1989 – 4 Ta 39/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 40; LAG Rheinland-Pfalz v. 06.03.1995 – 4 Ta 14/95, LAGE § 115 ZPO Nr. 51; LAG Köln v. 07.03.1995 – 7 Ta 22/95, LAGE § 115 ZPO Nr. 49; LAG Hamburg v. 13.08.1997 – 1 Ta 3/97, LAGE § 115 ZPO Nr. 52; LAG Schleswig-Holstein v. 24.09.1997 – 5 Ta 153/97, LAGE § 115 ZPO Nr. 53).
1.1. Die Anrechnung von 10% des Nennwertes einer Abfindung hat ihren Grund darin, daß es sich bei der Kündigungsabfindung nach §§ 9, 10 KSchG in vielen Fällen um einen schlichten Risikoausgleich handelt, bei dem sich der Arbeitgeber von der Last der Darlegungsverteilung und der Beweislast gewissermaßen freikauft (LAG Hamm v. 01.02.1999 – 14 Ta 10/99, n.v.). Der betroffene Arbeitnehmer kann die ihm gezahlte Abfindung beliebig verwenden, so daß von einer Zweckbindung keine Rede sein kann. Damit stellt die Zahlung einer Kündigungsabfindung für den Betroffenen einen Vermögens...