Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Befristung zur beschäftigungsbegleitenden Betreuung schwer vermittelbarer arbeitsloser Hilfsbedürftiger und deren Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt im Rahmen des Modellprojekts "JobAssist-Bürgerarbeit" einer Optionskommune
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berufung auf den Sachgrund eines vorübergehenden Bedarfs im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG kommt nicht in Betracht, wenn die befristete Beschäftigung der Wahrnehmung von Daueraufgaben dient.
2. Die im Rahmen des Projekts Bürgerarbeit erfolgende intensivierte Betreuung von arbeitslosen Hilfebedürftigen durch einen beschäftigungsbegleitenden Coach mit dem Ziel, diese in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, ist von einer Optionskommune obliegenden Daueraufgaben nicht hinreichend abgrenzbar. Die Daueraufgabe der Arbeitsvermittlung wird dadurch nicht zu einer abgrenzbaren Zusatzaufgabe, dass sich die Methodik und die Herangehensweise an die Erledigung der Aufgabe verändert.
Normenkette
SGB II § 6a; TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Göttingen (Entscheidung vom 15.10.2013; Aktenzeichen 2 Ca 238/13 Ö) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Göttingen vom 15. Oktober 2013 - 2 Ca 238/13 Ö - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beendet worden ist.
Der beklagte Landkreis trägt die Kosten des Rechtsstreites.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2013 sein Ende gefunden hat.
Der beklagte Landkreis ist als sog. Optionskommune nach § 6 a SGB II anstelle der Agentur für Arbeit als Träger bestimmter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zugelassen.
Die am 00.00.1978 geborene Klägerin war seit dem 14. September 2009 bei dem beklagten Landkreis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden beschäftigt. Sie erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.794,00 €. Zunächst lag dem Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag vom 10. September 2009 zugrunde, der eine sachgrundlose Befristung bis zum 30. September 2010 vorsah. Mit Vertrag vom 30. September 2010 vereinbarten die Parteien eine bis zum 31. Dezember 2012 befristete Beschäftigung der Klägerin. In dem Arbeitsvertrag ist als Befristungsgrund angegeben: "Mitarbeit im Projekt JobAssist - Bürgerarbeit auf der Grundlage des SGB II" (Bl. 9 ff. d.A.).
Bei diesem Projekt handelte es sich um ein durch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Mitteln des europäischen Sozialfonds (im Folgenden: ESF) gefördertes Programm. Das Modellprojekt, für welches sich der beklagte Landkreis auf ein Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums erfolgreich beworben hatte, setzte sich aus zwei Phasen, der Aktivierungs- und Beschäftigungsphase zusammen. Der beklagte Landkreis beauftragte die Kreisvolkshochschule, eines seiner Ämter, mit der Durchführung des Modellprojekts. Ziel der mindestens sechsmonatigen Aktivierungsphase war es, durch eine intensivierte Betreuung eine Integration von schwer vermittelbaren arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erzielen. Sofern dies nicht gelang, konnten die Teilnehmer an dem Modellprojekt in die "Bürgerarbeit" vermittelt werden. Es handelte sich hierbei um eine Beschäftigung bei Arbeitgebern, durch welche zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten erledigt wurden. Die Förderung bestand darin, den Arbeitgebern, die Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung stellen, Zuwendungen zur Tragung der Lohnkosten und Sozialversicherungsabgaben zukommen zu lassen. Die Bürgerarbeiter erhielten ein beschäftigungsbegleitendes Coaching. Einzelheiten ergeben sich aus den "Fragen und Antworten zur Durchführung von Modellprojekten - Bürgerarbeit" sowie "Leitfaden zur Bürgerarbeit (Beschäftigungsphase im Modellprojekt Bürgerarbeit)"; Bl. 130 ff. d.A.
Nach den Vorgaben des Bundesministeriums konnte die Aktivierungsphase frühestens ab dem 1. Juli 2010 beginnen, die dreijährige Beschäftigungsphase muss bis spätestens 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein.
Bei dem beklagten Landkreis begann die Aktivierungsphase am 1. Oktober 2010. Die Maßnahmen in der Aktivierungsphase wurden aus dem SGB II - Budget des beklagten Landkreises und aus ESF - Mitteln des Landes finanziert. Während der Beschäftigungsphase wurden 200 Bürgerarbeiter betreut, es erfolgte inhaltlich eine Stabilisierung auf dem jeweiligen Bürgerarbeitsplatz, das Lösen von Konflikten, der Abbau sog. Vermittlungshemmnisse sowie eine Berufswegeplanung und Vermittlung auf einen regulären Arbeitsplatz. Eventuell frei werdende Bürgerarbeitsplätze wurden von den Projektmitarbeitern neu besetzt, so dass die Bürgerar...