Leitsatz (amtlich)

Hat eine Kinderpflegerin 6 Jahre in einem Sprachheilzentrum die Tätigkeit einer Erzieherin ausgeübt, ist sie als sonstige Angestellte wie eine Erzieherin einzugruppieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber nicht substantiiert bestreitet, daß entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen vorliegen.

 

Normenkette

Bundesmanteltarifvertrag für Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt. Sozial- und Erziehungsdienst.

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 16.07.1993; Aktenzeichen 1 Ca 1099/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.01.1996; Aktenzeichen 4 AZR 602/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 16.7.1993, 1 Ca 1099/92, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab 1.4.1994 Vergütung nach Vergütungsgruppe V c BMT-AW II zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 1/3, der Beklagte zu 2/3.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.737,28 DM festgesetzt.

Für den Beklagten wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für den Zeitraum 1.10.1991 bis 31.7.1993 im Wege der bezifferten Leistungsklage, hilfsweise mit Feststellungsantrag Vergütung nach Vergütungsgruppe V c des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt Teil I B 1. Sozial- und Erziehungsdienst (im folgenden: BMT-AW).

Die 1955 geborene Klägerin hat 1974 eine Ausbildung als staatlich anerkannte Kinderpflegerin abgeschlossen und arbeitete sodann von 1974 bis 1976. Eine erneute Beschäftigung nahm sie bei dem Beklagten auf am 1.4.1988 im Sprachheilzentrum in … Die Parteien haben arbeitsvertraglich (Bl. 4 d.A.) Vergütung nach BMT-AW vereinbart, ursprünglich erhielt die Klägerin Vergütung nach Vergütungsgruppe VII, seit dem 1.4.1992 erhält sie Vergütung nach Vergütungsgruppe VI.

Die Klägerin arbeitet im Heimbereich, in dem die Kinder außerhalb der Schulzeit betreut werden. Es bestehen sechs Wohngruppen zu je acht sprachbehinderten Kindern. Die Klägerin ist zusammen mit zwei Erzieherinnen eingesetzt in einer Gruppe von Kindern im Alter von sechs bis neun Jahren. Die drei Erziehungskräfte der Gruppe leisten im Wechsel Frühdienst (6.30 Uhr bis 13.30 Uhr), Mitteldienst (10.00 Uhr bis 18.00 Uhr) und Spätdienst (12.30 Uhr bis 20.30), und zwar von montags bis donnerstags. Freitags endet der Dienst um 16.15 Uhr.

Gelegentlich ist Wochenenddienst zu leisten. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die von der Klägerin vorgelegten Einsatzpläne (Bl. 24 bis 26 d.A.).

Die betreuten Kinder sind sprachbehindert und aus diesem Grund Behinderte im Sinne des § 39 BSHG. Die Tätigkeiten der Erziehungskräfte beinhalten vor der Schule Betreuung der Kinder bei Körperpflege, Anziehen und Frühstück. Während der Schulzeit (Schulschluß ist um 11.25 Uhr) sind hauswirtschaftliche Arbeiten zu erledigen sowie schriftliche Arbeiten. Nach dem Mittagessen und der Mittagsruhe folgt Betreuung der Kinder, die unter anderem beinhaltet Beschicken der Therapien, Durchführung von heilpädagogischen Übungen oder Sprechübungen, schulischen Übungen, Spiel- und Freizeitgestaltung, Bekleidungseinkauf und ähnliches. Wegen der Einzelheiten eines Tagesablaufs wird Bezug genommen auf die von dem Beklagten erstellte Tätigkeitsdarstellung der Erzieher im Gruppenablauf der stationären Abteilung (Bl. 76 ff. d.A.).

In der Gruppe der Klägerin sind zwei Erzieherinnen tätig, die nach Vergütungsgruppe V c vergütet werden. In anderen Gruppen sind zwei Kinderpflegerinnen tätig, die seit dem 1.4.1992 von dem Beklagten nach Vergütungsgruppe V c vergütet werden.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe Anspruch auf Vergütung wie eine Erzieherin. Sie übe dieselben Tätigkeiten aus wie die in der Gruppe tätigen Erzieherinnen. Eine Unterscheidung in der Tätigkeit bestehe nicht. Sie arbeite selbständig und nicht nach Anweisung und führe alle erzieherischen und pflegerischen Betreuungsaufgaben in der Gruppe durch. Wie sich aus den Dienstplänen ergebe, arbeite sie zum Teil auch allein.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.630,52 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den jeweils monatlich fälligen Nettodifferenzbetrag zu zahlen,
  2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 1.8.1993 weitere 293,34 DM brutto monatlich zu zahlen.

Hilfsweise beantragt sie,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 1. Oktober 1991 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c des Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II B Nr. 1) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat bestritten, daß die Klägerin über gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen wie eine ausgebildete Erzieherin verfüge. Bereits deshalb komme eine Vergütung nach Vergütungsgruppe V c nicht in Betracht. Die Klägerin übe auch nicht dieselbe Tätigkeiten wie die Erzieherinnen in ihrer Gruppe aus, ihre Aufga...

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