Entscheidungsstichwort (Thema)

Tragen einer Amtstracht (Robe) vor dem Arbeitsgericht. Sitzungspolizeiliche Maßnahme gegenüber Rechtsanwalt

 

Leitsatz (amtlich)

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Verpflichtung des Rechtsanwalts zum Tragen einer Robe vor dem Arbeitsgericht besteht. Jedenfalls ist ein Ausschluss des Rechtsanwaltes von der mündlichen Verhandlung wegen des Nichttragens einer Robe unzulässig.

 

Normenkette

GVG § 176 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Nienburg (Beschluss vom 05.06.2008; Aktenzeichen 1 Ca 526/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nienburg vom 05.06.2008, Az. 1 Ca 526/07 aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer vertritt die Klägerin in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. In der Sitzung vom 05.06.2008 erschien der Beschwerdeführer ohne Berufstracht. Auf Veranlassung des Vorsitzenden erklärte der Beschwerdeführer, er habe schon vor vielen Jahren die Entscheidung getroffen, in Niedersachsen keine Robe zu tragen, wenn er vor den Arbeitsgerichten auftrete. Daraufhin wurde er als Prozessbevollmächtigter der Klägerin von der Kammerverhandlung vom 05.06.2008 ausgeschlossen.

Die Klägerin erklärte daraufhin, sie sei mit dem Beschwerdeführer befreundet und bevollmächtigte ihn deshalb, heute für sie den Termin wahrzunehmen.

Die Sitzung wurde dann mit dem Beschwerdeführer als Klägervertreter weiter fortgeführt, wobei er auch den Antrag im Verfahren stellte. Am Schluss der Sitzung erging sowohl eine Beschluss, mit dem die Widerklage zur gesonderten Entscheidung abgetrennt und der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen dafür als unzulässig angesehen und an das Landgericht Verden als zuständiges Gericht des zulässigen Rechtsweges verwiesen wurde wie auch ein Urteil verkündet, mit dem die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt und der Streitwert auf 6.544,52 Euro festgesetzt wurden.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers legten namens und in Vollmacht ihres Mandanten mit Schriftsatz vom 19.06.2008, der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nienburg vom 05.06.2008 ein. Mit Schriftsatz vom 07.07.2008 wurde die sofortige Beschwerde weiter begründet (Bl. 113 – 119 d.A.). Das Arbeitsgericht half durch Beschluss vom 17.07.2008 der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig und begründet.

1.

Einzige Ermächtigungsgrundlage für den vorgenommenen Ausschluss des Beschwerdeführers von der Kammerverhandlung ist § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), nach dem die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem Vorsitzenden obliegt.

Gegen Entscheidungen des Vorsitzenden im Rahmen von § 176 GVG sind grundsätzlich keine Beschwerdemöglichkeiten gegeben, da § 181 GVG eine Beschwerde gegen Ordnungsmittel nur in den Fällen der §§ 178, 180 vorsieht und damit ausgeschlossen wird, dass bei Maßnahmen im Rahmen von §§ 176, 177 GVG Beschwerde eingelegt werden kann.

Gleichwohl ist vorliegend eine Beschwerdemöglichkeit gemäß §§ 78 ArbGG, 567 ZPO eröffnet, da sich die Maßnahme, die der Vorsitzende durch den Ausschluss des Prozessbevollmächtigten in der Sitzung am 05.06.2008 getroffen hat, nicht allein in der Aufrechterhaltung der Ordnung erschöpfte, vielmehr weitergehende Wirkungen hat und die Zulassung als Rechtsanwalt im Verfahren betrifft. Der Ausschluss einer Beschwerdemöglichkeit ist grundsätzlich für die Fälle gegeben, in denen konkrete sitzungspolizeiliche Maßnahmen erforderlich werden, die sich in einer tatsächlichen Handlung des Vorsitzenden erschöpfen und damit nicht beschwerdefähig sind. Wird aber, wie im vorliegenden Fall, ein Prozessbevollmächtigter ausgeschlossen, so hat dieses weitergehende Auswirkungen insofern, als eine ordnungsgemäße Vertretung der Partei nicht mehr gewährleistet ist und damit eine Schlechtleistung aus dem Rechtsanwaltsvertrag vorliegen, die sich unmittelbar auf den Gebührenanspruch des Beschwerdeführers niederschlagen kann. Damit hat der Beschluss des Vorsitzenden eine weitergehende über das Verfahren hinausgehende Konsequenz für den Beschwerdeführer, so dass aus diesem Grunde eine Beschwerdemöglichkeit gegeben ist (vgl. Kissel, Kommentar zum GVG, 5 Auflage 2008, § 181, Rdnr. 1 sowie § 176, Rdnr. 48, 49; BGH, Beschluss vom 11.2.1998, Az 3 StE 7/94 – 1 (2) StB 3/98 in NJW 1998, 1420).

2.

Aus den genannten Gründen besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde, da ein Eingriff in die Rechte des Rechtsanwaltes bzw. seiner Partei vorliegt. Insoweit kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

3.

Die Beschwerde wurde im Namen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, also des Beschwerdeführers eingelegt, der sich in seinen eigenen Rechten betroffen sieht. Dieses ergibt sich auch bereits aus der sofortigen Beschwerde vom 19.06.2008, da der Beschwerdeführer dort auch als solcher bezeichnet worden ist.

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