Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Abfindung. Einsatz. Zumutbarkeit. kleinerer Barbetrag. Berücksichtigung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes als Vermögen bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. (Nicht-)Berücksichtigung einer noch nicht fälligen Abfindung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine die Schongrenzen des § 90 SGB XII übersteigende Abfindung ist als Vermögenswert im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen. Der Ansatz von 10% der Abfindungssumme kommt regelmäßig in Betracht, soweit dieser Einsatz keine besondere Härte darstellt.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 3; VO zu § 90 SGB XII § 1; SGB XII § 90 Abs. 2 Ziff. 9, Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 4 Ca 906/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 3.5.2005 – 4 Ca 906/05 – aufgehoben:

Die Sache wird zur erneuten Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin an das Arbeitsgericht zurückgegeben mit der Maßgabe,

  • dass von der Abfindung nicht mehr als 500 EUR einzusetzen sind und
  • dass insoweit die Beteiligung der Klägerin an den Kosten der Führung

des Rechtsstreits erst am 1.8.2005 erfolgt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe.

Die Klägerin hatte sich mit ihrer am 18.3.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 14.2.2005 zum 30.6.2005 gewandt und gleichzeitig Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt xy beantragt. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Klägerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit angegeben und weiterhin zu Einkünften aus Kapitalvermögen eingetragen „Rentenfonds wird nachgereicht”. Weiter hat sie angekündigt, Angaben zu Krankenversicherung, Kraftfahrzeug-, Privathaftpflicht- und Wohngebäudeversicherung nachzuholen. Am 29.3.2005 hat die Klägerin eine korrigierte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht, in der sie die Angaben zum Rentenfonds gestrichen hat. Ferner hat sie die Angaben zu ihren Versicherungen korrigiert bzw. ergänzt. Die Klägerin verfügt nach ihren Angaben über ein Guthaben einer Bausparkasse in Höhe von derzeit 6.332,12 EUR und über Vermögenswerte aus dem Rentenfonds in Höhe von 5.080,24 EUR.

In der mündlichen Verhandlung vom 27.4.2005 haben sich die Parteien streitbeendend dahingehend verglichen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher betriebsbedingte Kündigung am 30.6.2005 enden wird. Weiter hat sich die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes am 30. Juni 2005 einen Betrag in Höhe von 5.000 EUR zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf 7.669,38 EUR festgesetzt.

Mit Beschluss vom 3.5.2005 hat das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe versagt und ausgeführt, die Klägerin sei nicht bedürftig, weil sie eine Abfindung in Höhe von 5.000 EUR zu erhalten habe, die einzusetzen sei. Gegen diesen am 4. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 11.5.2005 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist daher aufzuheben.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind auch Abfindungen als Vermögen i.S. des § 115 Abs. 3 ZPO zu berücksichtigen. Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung. Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Dabei ist § 90 SGB XII entsprechend anzuwenden.

Nach § 90 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Eine als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes geleistete Summe fällt nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 90 Abs. 2 Ziff. 1 bis 8 SGB XII. Nicht berücksichtigt wird die Abfindung, wenn es sich um einen kleineren Barbetrag oder einen sonstigen Geldwert handelt. Was ein kleinerer Barbetrag ist, ergibt sich aus § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII. Die zu zahlende Abfindung übersteigt die dort genannten Beträge.

Nach § 90 Abs. 3 SGB XII darf die Sozialhilfe ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Ob der Einsatz zuzumuten ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Dabei kommt es entscheidend auf die Höhe der Abfindung, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Chancen des Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt an (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 24.9.1997 – 5 Ta 153/97 –; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 22.4.2005 – 1 Ta 15/05 –). Bei einer Abfindung ist der besondere Zweck der Leistung zu berücksichtigen. In der Regel wird, sofern der Frei...

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