Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung als Vermögen i.S.d. Prozesskostenhilferechts. Verdoppelung des Schonvermögens bei Abfindungen als Obergrenze
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist grundsätzlich als Bestandteil des Vermögens anzusehen, wenn sie dem Prozesskostenhilfe-Antragsteller tatsächlich zugeflossen ist. Von einem Vermögensansatz zu verschonen sind kleinere Barbeträge und sonstige Geldwerte bis zu 5.000 € pro volljähriger Person.
2. Von einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes muss dem von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer ein erheblicher Teil verbleiben, da Kosten etwa für Bewerbungen, Vorstellungen, evtl. auch Umschulungen und einen Umzug drohen. Diese können je nach beruflicher Qualifikation, dem Alter und den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts durchaus erheblich sein. Im Einzelfall kann daher eine Erhöhung des Vermögenschonbetrags bei der Abfindung bis zur Obergrenze des Doppelten des Regelbetrags in Betracht kommen.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3 S. 1; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9; BarbetrV § 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 30.07.2018; Aktenzeichen 4 Ca 2380/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 30.07.2018 - 4 Ca 2380/17 - mit der Maßgabe abgeändert, dass der von der Klägerin aus dem Vermögen zu leistende Betrag 1.563,15 EUR beträgt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien des Rechtsstreits schlossen am 11. Dezember 2017 einen Vergleich, mit dem sich die Beklagte unter anderem verpflichtete, der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 10.000,00 EUR brutto zu zahlen. Das Arbeitsverhältnis endete zum 30. April 2018.
Das Arbeitsgericht bewilligte mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ohne Ratenzahlung.
Auf die Verfügung des Arbeitsgerichts übersandte die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Juli 2018 dem Gericht einen Kontoauszug, dem sich entnehmen lässt, dass die Beklagte der Klägerin am 27. April 2018 einen Betrag in Höhe von 9.163,15 EUR überwies mit dem Betreff: Lohn / Gehalt / Rente. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führte im Schriftsatz vom 25.07.2018 aus, dem Kontoauszug sei die gezahlte Abfindung zu entnehmen.
Das Arbeitsgericht änderte mit Beschluss vom 30. Juli 2018 den Beschluss vom 11. Dezember 2017 dahin ab, dass die Klägerin die Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.119,85 EUR aus ihrem Vermögen auf die Prozesskosten zu leisten habe. Das Arbeitsgericht berücksichtigte bei der Abfindung insoweit nur das Schonvermögen in Höhe von 5.000,00 EUR.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 02. August 2018 zugestellten Beschluss am 08. August 2018 sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, ihr sei der Einsatz der Abfindung als Vermögen nicht zumutbar. Sie sei 35 Jahre alt und alleinstehend. Sie sei seit dem 25. April 2018 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und beziehe Krankengeld. Es sei nicht absehbar, wann die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eintreten werde. Voraussichtlich werde demnächst eine medizinische und möglicherweise im Anschluss daran auch eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden. Sie müsse befürchten, gegebenenfalls dauerhaft arbeitsunfähig zu bleiben.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. August 2018 nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Landesarbeitsgericht vorgelegt. Wegen des Inhalts der Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen auf den Inhalt des Beschlusses.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Der Klägerin ist der Einsatz der ihr gezahlten Abfindung gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur in Höhe von 1.563,15 EUR zumutbar.
1.
Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist grundsätzlich als Bestandteil des nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzusetzenden Vermögens anzusehen, wenn diese - wie hier - der Prozesskostenhilfeantragstellerin zugeflossen ist. Jedoch sind nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII kleine Barbeträge nicht zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen. Nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte für jede volljährige Person 5.000,00 EUR.
2.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24. April 2016 (3 AZB 12/05) entschieden, dass neben dem Schonvermögen dem Antragsteller ein weiterer Betrag von der Abfindung verbleiben muss. Denn dem von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer drohten durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten, etwa für Bewerbungen, Fahrten sowie unter Umständen auch Schulungen und Umzug. Diese Kosten ließen im Regelfall den Einsatz der gesamten Abfindung als unzumutbar im Sinne von § 115 Abs. 3 Sa...