Gewalt gegenüber alten Menschen sind nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation einmalige oder wiederholte Handlungen oder das Unterlassen gebotener Handlungen, die bei den Betroffenen zu Schaden oder Leid führen. Damit sind Formen emotionaler, körperlicher und sexualisierter Gewalt sowie Vernachlässigung gemeint. Gewalt gegen und Gewalt durch pflegebedürftige Menschen bedingen sich oft wechselseitig. Die Relevanz des Themas ist unter Expertinnen und Experten unbestritten. Voraussetzung für jede Intervention ist die Enttabuisierung von Gewaltphänomenen. Gewalt gegen und auch durch pflegebedürftige Menschen ist als strukturelles Phänomen anzusehen, welches ganzheitliche und kontinuierliche Ansätze erfordert.
Vielversprechende Maßnahmen sind Instrumente zur Meldung und Dokumentation von Gewaltvorkommen, die Etablierung von Leit- und Richtlinien, Weiterbildungen für Mitarbeitende und die Sensibilisierung für leitende Fachkräfte. Auch wenn diese Instrumente in ihrer Evaluation bisher kaum statistisch valide Ergebnisse zeigen, so verbessern sie in jedem Fall das subjektive Sicherheitsempfinden der Beschäftigten. Pflegebedürftige Menschen, die in stationären Pflegeeinrichtungen leben oder diese aufsuchen, sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation und der damit verbundenen Abhängigkeit von Hilfe besonders verletzlich und daher auch besonders zu schützen. Gewaltprävention und der richtige Umgang mit Gewaltereignissen durch das Pflege- und Betreuungspersonal sind daher von großer Relevanz.
In wenigen Bundesländern (z. B. Hessen) bestehen explizite Verpflichtungen in den Heimgesetzen, Konzepte für gewaltfreie Pflege vorzulegen.
Primär sollten Pflegeeinrichtungen bei der Implementierung geeigneter Konzepte in Kooperation mit der jeweiligen Heimaufsicht und sozialversicherungsübergreifend dem Träger der Kranken- bzw. Unfallversicherung unterstützt werden.
Während mit partizipativen Ansätzen zur Prävention von Gewalt in Pflegeeinrichtungen erste Erfahrungen vorliegen, ist die Erkenntnislage zur Wirksamkeit präventiver Maßnahmen noch unbefriedigend. Derzeitig liegen überwiegend Ergebnisse aus Studien zu freiheitsentziehenden Maßnahmen vor. Jedoch gibt es kaum valide Hinweise darauf, welche Maßnahmen – abgesehen von Personalschulungen – Wirksamkeit zeigen. Eine Übersichtsarbeit zur Gewaltprävention in der Pflege konnte lediglich eine kontrollierte Studie zur Wirksamkeit eines Schulungsprogramms identifizieren und kommt zu dem Schluss, dass diese Studie aufgrund erheblicher methodischer Schwächen und mangelnder Übertragbarkeit keine zuverlässigen Schlüsse über die Wirksamkeit von Interventionen zur Gewaltprävention zulässt. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass sich Maßnahmen zur Gewaltprävention in der stationären Pflege nicht nur auf einen singulären Aspekt beziehen können, sondern auf Systemebene, an den Strukturen einer stationären Pflegeeinrichtung, ansetzen müssen. Dementsprechend muss ein Konzept zur Gewaltprävention ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen enthalten.
Hierzu gehören neben einer Sensibilisierung und regelmäßigen Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Thema auch die Entwicklung und Festlegung von einrichtungsinternen Handlungsleitlinien zum Umgang mit Verdachtsfällen und bei aktuell verübter Gewalt. Übereinstimmend wird den Pflegeeinrichtungen auch empfohlen, eine Präventionsbeauftragte bzw. einen Präventionsbeauftragten zu installieren, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Ansprechpartner und Beratungsinstanz zur Verfügung stehen und sie bei dem Ziel unterstützen, Übergriffe und Gewalt zu verhindern.
Ziel: Vermeidung von Gewaltereignissen und gesundheitlichen Folgen |
Maßnahme: partizipative Entwicklung von Konzepten gewaltfreier Pflege sowie deren Umsetzung |
Evidenz: Expertise; In methodisch moderaten Übersichtsarbeiten konnte keine Studie methodisch hinreichend guter Qualität identifiziert werden. |
Erfolgsindikatoren (Teilziel 2.5): Die Anzahl der Pflegeeinrichtungen, die einrichtungsinterne Handlungsleitlinien oder ein Konzept zur Prävention von Gewalt in der Pflege vorweisen und umsetzen, ist erhöht. |
Indikatoren für Wirksamkeit: gesundheitsbezogene Lebensqualität (Wohlbefinden) |