Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. einstweilige Anordnung. Einkommens- und Vermögensberücksichtigung. Eigenheimzulage. zweckbestimmte Einnahme. Angemessenheit einer Eigentumswohnung und eines Kraftfahrzeuges. Barvermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 SGG kommt wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung in der Regel nur eine befristete und darlehensweise Bewilligung von Sozialleistungen in Betracht.
2. Die Eigenheimzulage nach dem EigZulG ist eine zweckbestimmte Einnahme iS von § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 und darf jedenfalls dann nicht als Einkommen angerechnet werden, wenn sie zweckbestimmt verwendet wird (vgl LSG Celle-Bremen vom 25.4.2005 - L 8 AS 39/05 ER und LSG Hamburg vom 7.7.2005 - L 5 B 116/05 ER AS).
3. Die Angemessenheit einer Eigentumswohnung iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 richtet sich nur nach der Größe und nicht nach dem Marktwert der Wohnung.
4. Für die Angemessenheit eines Kraftfahrzeuges iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 gibt es keine starre Wertgrenze.
5. Barvermögen iS von § 12 Abs 2 Nr 1 SGB 2 ist nur aktuell zum Zeitpunkt der Entstehung des Alg II-Anspruches vorhandenes.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. Juni 2005 geändert:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe ab dem 13. Mai 2005 vorläufig als Darlehen zu gewähren.
Bei der Berechnung der Höhe der Leistung hat der Antragsgegner davon auszugehen, dass:
1. kein verwertbares Vermögen vorhanden ist (und zwar weder in Form von Barmitteln, noch als unangemessenes Kraftfahrzeug oder unangemessen große Eigentumswohnung)
2. die der Antragstellerin im März 2005 zugeflossene Eigenheimzulage in Höhe von 3.323,40 € kein anrechenbares Einkommen darstellt.
Die einstweilige Anordnung wird - unter dem Vorbehalt des Weiterbestehens der Hilfebedürftigkeit - zeitlich begrenzt bis längstens 31. Dezember 2005.
Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners zurückgewiesen
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
In diesem Verfahren geht es um die vorläufige Bewilligung und Auszahlung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Antragstellerin bezog bis zum 25.01.2005 Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Sie lebt mit ihrem 1989 geborenen Sohn in einer Eigentumswohnung, die sie 1999 erworben hat. Seit dem Jahr 2000 erhielt sie eine Eigenheimzulage in Höhe von jährlich 6.560,00 DM (entspricht 3.223,40 €), die zuletzt am 15.03.2005 ausbezahlt wurde. Den genannten Betrag verbrauchte sie noch im März 2005 für eine Abschlusszahlung für eine notwendige Dachsanierung des Hauses und in diesem Zusammenhang angefallene Rechtsanwaltskosten sowie für die Eintragung im Grundbuch. Wegen verschiedener Baumängel hatte sie sich in einem außergerichtlichen Vergleich mit dem Bauträger und Verkäufer der Wohnung dahingehend geeinigt, dass eine letzte Kaufpreisrate nicht zu bezahlen und dafür die wegen der Baumängel notwendige Sanierung von ihr selber auf eigene Kosten zu bewerkstelligen war und dass um die Frage der Wohnfläche (Erreichung der verkauften 97 m²) nicht mehr gestritten werde.
Ihren am 11.01.2005 gestellten Antrag auf Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach SGB II (Alg II) lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 23.02.2005 ab. In der Begründung wird ausgeführt, das selbst genutzte Hausgrundstück sei von angemessener Größe und sei nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Der vorhandene PKW habe einen Zeitwert von ca. 9.786.- € und übersteige damit die Grenze des Angemessenen, die mit 5.000.- € anzusetzen sei. Außerdem bestehe eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 6.627.- €; auch seien verschiedene Barmittel angegeben worden. Insgesamt summierten sich diese Werte auf ein Vermögen von über 20.000.- €. Damit sei die maßgebliche Freigrenze von 8.800,00 € (44 Lebensjahre x 200,00 €) überschritten.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren machte die Antragstellerin geltend, der Freibetrag für notwendige Anschaffungen sei übersehen worden. Ein Betrag von 6.596,63 € auf dem Girokonto sei bereits am 14. Januar für die Bezahlung einer Handwerkerrechnung verbraucht gewesen und habe zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung und der Entstehung des Alg-II-Anspruchs nicht zur Verfügung gestanden. Die Sanierung sei wegen Mängeln der Dachisolierung dringend notwendig gewesen. Die Lebensversicherung sei durch eine Vertragsergänzung mit einem Verwertungsausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II versehen und deshalb nicht anrechenbar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2005 wies der Antragsgegner diesen Widerspruch zurück und stützte sich zur Begründung nunmehr darauf, dass allein wegen des übersteigenden Wertes des Kraftfahrzeuges ein Anspruch auf Alg II ausgeschlossen sei. D...