Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
§ 127 Abs 2 S 2 Halbs 2 ZPO iVm § 511 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht analog anwendbar. Die Beschwerde gegen die Versagung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 172 Abs 1 SGG unabhängig davon statthaft, ob in der Hauptsache der Beschwerdewert des § 144 Abs 1 S 1 SGG erreicht wird oder die Voraussetzungen des § 144 Abs 1 S 2 SGG vorliegen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2006 - S 17 AS 641/06 PKH-A - abgeändert.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren - S 17 AS 640/06 - unter Beiordnung von Rechtsanwältin K. Prozesskostenhilfe gewährt, soweit damit eine Leistung für Mehrbedarf wegen einer kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen in angemessener Höhe begehrt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
1. Die Beschwerde ist statthaft, obwohl die Höhe des in der Hauptsache für den Bewilligungszeitraum von sechs Monaten geltend gemachten Mehrbedarfs den Wert von 500,-- € nicht erreicht.
Gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht im Sozialgerichtsgesetz anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung trifft der die Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahrens regelnde § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht. Nach dieser Bestimmung gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe (PKH) entsprechend. Damit soll ebenso wie mit § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 142 Finanzgerichtsordnung (FGO) in erster Linie gewährleistet werden, dass die Beteiligten unter denselben materiellen Voraussetzungen wie im Zivilprozess Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe haben. Die Rechtsmittel gegen die Versagung der Bewilligung von PKH sind dagegen mit den Änderungen der Prozessordnungen in den Jahren 2000 und 2001 unterschiedlich geregelt worden. Im finanzgerichtlichen Verfahren sind gemäß § 128 Abs. 2 FGO in der seit dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung Beschlüsse im Prozesskostenhilfeverfahren grundsätzlich nicht mehr anfechtbar. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind sie gemäß § 146 Abs. 1 VwGO in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung mit der Beschwerde angreifbar. Eine analoge Anwendung des die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde vom Streitwert der Hauptsache abhängig machenden und über § 166 VwGO anwendbaren § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO wird bereits deswegen abgelehnt, weil es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Berufungssumme gibt, sondern die Berufung grundsätzlich der Zulassung bedarf, so dass der Zweck der Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht erreicht werden könne (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. April 2003 - 9 C 02.2916 -, BayVBl. 2003, S. 573). Dem die Statthaftigkeit der Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelnden § 146 Abs. 1 VwGO entspricht § 172 SGG in seiner durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17. August 2001 (BGBl. I S. 1887 - 6. SGGÄndG -) unverändert gebliebenen Fassung. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren ergibt sich eine Einschränkung der Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Versagung von PKH nicht aus der analogen Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz i.V.m. § 511 ZPO (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., §172 Rdnr. 1; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005 - L 8 AL 1862/05 -; LSG für das Land Niedersachen, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - L 8 B 147/05 AS -). Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) in der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgten Neufassung durch Art. 2 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) kann die Versagung der Bewilligung von PKH nicht angefochten werden, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag (600 €) nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint. Die Einfügung von § 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO geht bereits auf den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 8. Dezember 1998 zurück (BT-Drucks 14/163, S. 3 § 127 Abs. 2). § 127 Abs.2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO sollte lauten: “Im übrigen findet die Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn im Verfahren über die Hauptsache ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht eingelegt werden kann„. Die Begründung des Änderungsvorschlags (BT-Drucks. 14/163 zu Nummer 8 Buchst. b, S. 20) verweist auf die allgemeine Begründung zur Beschränkung des Beschwerderechts (1. Teil B II 3), wonach in Rechtsprechung und Literatur seit...