Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelbehandlung bei Erkrankung an multipler Sklerose. derzeit kein Anspruch auf Versorgung mit intravenös zu verabreichenden Immunglobulinen
Leitsatz (amtlich)
Versicherte der GKV, die an multipler Sklerose erkrankt sind, haben derzeit (Behandlungsjahr 2014) keinen Anspruch auf Versorgung mit intravenös zu verabreichenden Immunglobulinen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 08.09.2014 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.08.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet ist, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Behandlungskosten für die von der Antragstellerin begehrte Therapie mit Immunglobulinen zu tragen.
Die am … 1978 geborene Antragstellerin leidet an einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose (MS) mit hoher Schubaktivität. Diese wurde bei der Antragstellerin im Jahr 2005 diagnostiziert. Bisher durchgeführte Immunprophylaxen der Basistherapie und der Eskalationstherapie mussten wegen Nebenwirkungen bzw allergischen Reaktionen beendet werden.
Unter Vorlage ärztlicher Unterlagen beantragte die Antragstellerin die Kostenübernahme einer Therapie mit Immunglobulinen bei schubförmig verlaufender MS. Um ihr kleines Kind weiter versorgen zu können, bat sie um Kostenübernahme für eine Schubprophylaxe mit intravenös applizierten Immunglobulinen, welche zunächst für eine Zeitdauer von sechs Monaten mit anschließender Reevaluation durchgeführt werden solle.
Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 17.04.2014 zu dem Ergebnis, dass in Deutschland zahlreiche rezeptpflichtige Präparate auf dem Markt erhältlich seien, die als Wirkstoff Immunglobuline zur intravenösen Verabreichung enthielten. Keines dieser Präparate sei jedoch zur Behandlung der MS zugelassen, die Behandlung solle daher im sogenannten Off-Label-Use erfolgen. Allerdings lägen die Voraussetzungen, die das BSG in seinem Urteil vom 19.03.2012 (B 1 KR 736/00 R) aufgestellt habe, nicht vor. Es könne nämlich nicht bestätigt werden, dass die Möglichkeiten der Standardtherapie ausgeschöpft seien. Weiter bestehe aufgrund der Datenlage nicht die begründete Aussicht, dass mit der begehrten Therapie ein Behandlungserfolg zu erzielen sei.
Mit Bescheid vom 24.04.2014 lehnte die Antragsgegnerin darauf den Antrag ab. Die Antragstellerin legte hiergegen unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen am 08.08.2014 Widerspruch ein und beantragte am 06.08.2014 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Behandlungskosten für die intravenöse Immunglobulintherapie bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Es bestehe ein Anordnungsanspruch, weil ohne die beantragte einstweilige Regelung die Gefahr gegeben sei, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Kostenübernahme für die Behandlung mit Immunglobulinen vereitelt werde, es weiter mit einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung gerechnet werden müsse und der bestehende (weitere) Kinderwunsch der Antragstellerin vereitelt werde. Auch lägen durchaus die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nach der Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 19.03.2002 vor. Es handele sich bei MS um eine schwere Erkrankung. Alle bisher in Frage kommenden Medikamente und Therapien seien erfolglos geblieben oder mit starken Nebenwirkungen verbunden gewesen. Darüber hinaus bestehe aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden könne. Ein Anordnungsgrund sei aufgrund der finanziellen Leistungsfähigkeit bzw Leistungsunfähigkeit der Antragstellerin gegeben.
Mit Beschluss vom 26.08.2014 hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag abgelehnt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, weshalb dahingestellt bleiben könne, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sei. Es sei zu beachten, dass ein Anspruch auf Versorgung mit Medikamenten nur bestehe, soweit diese zugelassen seien. Dabei sei ein Fertigarzneimittel, welches keine arzneimittelrechtliche Zulassung für dasjenige Indikationsgebiet besitze, in welchem es im konkreten Fall eingesetzt werden solle, mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von der Leistungspflicht der Krankenversicherung umfasst. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe lediglich bei einer schwerwiegenden Erkrankung, für die eine andere Therapie nicht verfügbar sei, wenn aufgrund einer spezifischen Datenlage ein begründeter Behandlungserfolg in der Form bestehe, dass mit einer künftigen Zulassung gerechnet werden könne. Diese Voraussetzungen seien vorliegend jedoch nicht erfüllt. Es fehle an den generellen Voraussetzungen der mutmaßlichen Evidenz der Qualität und Wirksamkeit einer Behandlung der schubförmigen MS mit intravenösen Immunglobulinen.
Di...